Zwischen Frust und Freude: Wie Schüler:Innen Künstliche Intelligenz im Unterricht nutzen

Im vierten Teil unserer Auswertung des KI-Pilotversuchs nehmen wir die Schülerinnen und Schüler in den Blick: Welche Erfahrungen haben sie mit schulKI im Unterricht gemacht?

Motivierend oder frustrierend? Im Pilotversuch von bildung.digital berichten nicht nur Lehrkräfte von ihren eigenen Erfahrungen mit dem Large Language Model. Sie teilen auch differenzierte Beobachtungen und Erkenntnisse zum KI-Einsatz der Schüler:innen. Während ein Teil der Lehrer:innenschaft vor allem aus dem Unterrichtsgeschehen berichtet, befragte etwa die Hälfte aller teilnehmenden Lehrkräfte ihre Schüler:innen auch zu ihren Vorerfahrungen. Wie im nachfolgenden Schaubild visualisiert, bestätigen 41 Prozent der Lehrkräfte ein sehr heterogenes Ausgangsniveau im Klassenzimmer. Während ein Teil der Schüler:innenschaft schon erste Berührungspunkte mit KI hatte, war es für andere die erste echte Auseinandersetzung mit dem Thema. 37 Prozent der Lehrkräfte gaben an, dass KI und entsprechende Tools bei den Lernenden bereits bekannt und erprobt wurden, während nur 4 Prozent von einer regelmäßigen Nutzung berichteten. Knapp ein Fünftel der Lehrkräfte gab an, dass Schüler:innen über keine Vorerfahrung verfügten. 

Mit Blick auf das abschließende Feedback der Schüler:innen zeigt sich im nachfolgenden Diagramm ein eindeutiges Bild: Über 30 der knapp 60 teilnehmenden Lehrkräfte gaben an, dass die Schülerinnen und Schüler großen Spaß daran hatten, KI im schulischen Alltag zu nutzen und sich dies auch positiv auf deren Motivation auswirkte. 12 Lehrkräfte gaben an, dass die Arbeit mit schulKI für die Schüler:innen herausfordernd war, während drei Lehrkräfte von deutlich spürbarem Frust unter den Schüler:innen berichteten. Als Gründe gaben sie an, dass die Antworten der Bots zu komplex oder nicht zur Aufgabe gepasst hätten, während technische Hürden die Nutzung ebenfalls erschwerten. 

Mit Blick auf die eingereichten Reflexionen lassen sich fünf Erkenntnisse festhalten: 

#1 Schüler:innen nutzen die KI als individuelle Lernhilfe

Für die Schüler:innen stellte die KI eine Art persönliche Lernhilfe und Trainingspartnerin für verschiedene Fachinhalte und Fragen dar, so die mehrheitlichen Rückmeldungen der Lehrkräfte. Neben individuellen Recherchen nutzten einige Schüler:innen die KI außerdem als Anstoßkugel zur Generierung von (kreativen) Ideen oder aber für die Arbeit an und mit Texten. Mithilfe der KI wurden so unterschiedliche Texte erstellt, überarbeitet oder analysiert, während sich das Tool auch für Zusammenfassungen eignete. Anfängliche technische Hürden, so die Lehrkräfte, wurden von vielen Schülerinnen und Schülern meist schnell genommen. 

#2 Die Schüler:innen fühlten sich durch den KI-Einsatz stärker motiviert und in ihrer Selbstständigkeit gefördert 

„Die KI ermöglicht es Schüler:innen in ihrem eigenen Tempo Probleme und Fragestellungen zu erarbeiten und zwingt sie dazu, exakte Befehle zu formulieren“, so eine Lehrkraft aus Schleswig-Holstein. Die Lernenden fühlten sich bestärkt und motiviert, die Funktionsvielfalt der KI zu erforschen. Sie waren teilweise „erstaunt, wie unglaublich einfach die KI reproduzierbares Wissen zu fast allen Themen ihres aktuellen Schulunterrichts zusammenstellt, komprimiert und erweiterbar macht“, schreibt eine Lehrkraft aus Kiel dazu in ihrer Reflexion. Ergänzend dazu erklärt eine Lehrkraft: „Vor allem begeisterten sie die schnellen Antworten, ohne längere Zeit mit Google-Recherchen verbringen zu müssen, um Fragen zu beantworten.“ Darüber hinaus bestätigen einige Lehrkräfte, dass der KI-Einsatz das selbstständige Arbeiten und individualisierte Lernen der Schüler:innen fördere. KI habe ein „hohes Potenzial an selbstgesteuerter Binnendifferenzierung“, schreibt eine Lehrkraft aus dem Saarland. Denn Lerninhalte und -methoden ließen sich an unterschiedliche Wissens- und Kompetenzstände der Schüler:innen anpassen. Was aus den Rückmeldungen der Lehrkräfte aber auch deutlich wird: Die Qualität der Antworten durch den Chatbot hat ebenfalls Einfluss auf die Motivation der Schüler:innen. „Verschiedene Bots sind hilfreich, aber Sprachniveau der Antworten und die Länge des generierten Textes sind ein nicht unbedeutender Faktor für die Motivation der Schülerinnen und Schüler“, betont eine Lehrkraft aus Bayern.

#3 Viele Schüler:innen wünschen sich eine langfristige Nutzung der KI

Wie aus vielen Reflexionen hervorgeht, wünscht sich die Mehrheit der Schüler:innen einen dauerhaften KI-Lernbegleiter im Unterricht. „Die Schüler:innen fanden großteils die Arbeit mit der KI gut und wünschen sich eine Art Dauerassistent, der jederzeit unterstützt und Fragen beantworten kann bzw. Informationen zusammensucht“, so eine Lehrkraft aus Berlin. Nur wenige Schüler:innen meldeten den Lehrkräften zurück, dass sie eine dauerhafte Nutzung der KI ablehnen würden. 

#4 KI-Nutzung verlangt ein teils hohes Kompetenzniveau

Trotz überwiegend positiver Erfahrungen melden einige Lehrkräfte in ihren Reflexionen zurück, dass es für einen sicheren KI-Einsatz entsprechende Kompetenzen brauche. Neben der Medienkompetenz, die nicht bei allen Schüler:innen gleichermaßen ausgeprägt sei, fehle es teilweise auch an Reflexions- und Lesekompetenzen – das zeigten Diskussionen zwischen KI und Schüler:innen. Auch das Ausgangsniveau, so einige Lehrkräfte weiter, sei teils sehr heterogen gewesen. Flächendeckende Vorerfahrungen und Kenntnisse über KI-Tools seien nicht erkennbar gewesen. Für viele Schüler:innen sei der Pilotversuch und die Erprobung von schulKI die erste bewusste Nutzung einer KI überhaupt gewesen. Auch die Arbeit mit dem KI-Tool stellte einige Lernende vor Herausforderungen. „Ein Teil der Schülerschaft ist überfordert, selbstständig zielführende Fragen an schulKI zustellen. Auch bei Hilfe durch die Lehrkraft gelang es vielen Schülern nicht, entstandene gute Antworten für das eigene Tun zu nutzen", schreibt eine Lehrkraft aus Kiel in ihrer Reflexion. Trotz des Teils unterschiedlichen Ausgangsniveaus berichten einige Lehrkräfte von schnellen und sichtbaren Verbesserungen der Fähigkeiten und Kompetenzen. Dazu schreibt eine Lehrkraft: „Zunächst reagierten die Schüler:innen verhalten und wenig erfahren in der Verwendung sinnvoller Prompts. Mit Anleitung durch die Lehrkraft wurden Anfragen dann jedoch sinnvoller und präziser.“

#5 Eine kritische Auseinandersetzung mit der KI ist erforderlich

Nahezu flächendeckend heben die Lehrkräfte die Relevanz und Notwendigkeit einer kritischen Beurteilung von KI-generierten Inhalten sowie einem vertieften Verständnis für die KI hervor. Wie eine Lehrkraft aus Nordrhein-Westfalen beschreibt, kam es seitens Schüler:innen zu „oberflächlicher Recherche und unhinterfragtem Übernehmen der Inhalte“. Eine weitere Lehrkraft schreibt, dass es „bedenklich“ sei, wie schnell sich die Schüler:innen teilweise mit den Ergebnissen zufriedengeben und diese ohne Aufgabenstellung gar nicht erst hinterfragt hätten, selbst wenn die Antworten der KI nicht verstanden wurden. „Sie waren nicht an der Qualität der Texte interessierte“, so die Lehrkraft abschließend. Auch hätten einige Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten gezeigt, den Mehrwert von KI zu erkennen bzw. diese effektiv einzusetzen oder aber Quellen zu prüfen. Nur vereinzelte Lehrkräfte berichteten von „Aha-Momenten“ bei den Schüler:innen.