Eine aktuelle Expert:innen-Befragung zeigt Prognosen und Handlungsmöglichkeiten auf, wie sich Ausbildungsperspektiven von Jugendlichen mit fehlendem oder niedrigem Schulabschluss verbessern lassen.
Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und die Bertelsmann Stiftung haben 2021 ein Foresight-Vorhaben begonnen, um Zukunftsszenarien für die Berufsausbildung 2030 zu entwerfen und zu diskutieren. Ein Bestandteil davon ist die nun veröffentlichte Delphi-Befragung zu den Ausbildungs- und Zukunftsperspektiven Jugendlicher mit maximal Erstem Schulabschluss (ESA). Dazu wurden über 100 Expert:innen aus Wirtschaft, Verwaltung, Bildungspraxis, Wissenschaft und Zivilgesellschaft nach ihren Einschätzungen und Vorhersagen befragt. Die Untersuchung wurde in Zusammenarbeit mit dem Bureau für Zeitgeschehen (BfZ) durchgeführt.
Keine guten Aussichten
Leider erwarten die Mehrzahl der befragten Expert:innen, dass sich die beruflichen Perspektiven für junge Menschen mit niedriger Schulbildung in den nächsten Jahren verschlechtern wird. Geringqualifizierte Jugendliche haben es zukünftig wohl immer schwerer im Spannungsfeld zwischen steigenden Kompetenz- und Qualifikationsanforderungen einerseits und rückläufigen Erwerbsperspektiven für Ungelernte andererseits zu bestehen. Umso wichtiger ist es den Blick darauf zu richten, was diesem aktuellen Negativ-Trend für einen erfolgreichen Weg in die Berufswelt entgegengesetzt werden kann.
Lernortkooperation als Hebel für eine erfolgreiche Ausbildung
Ausgehend von der Annahme, dass für Jugendliche mit niedriger Schulbildung eine abgeschlossene Berufsausbildung eine zentrale Voraussetzung für einen erfolgreichen Einstieg ins Erwerbsleben und sichere Teilhabe an der Gesellschaft ist, fällt dabei nach Ansicht der Expert:innen der dualen Berufsausbildung als „Erfolgsmodell“ auch 2030 noch immer eine hohe Bedeutung zu.
Für junge Menschen mit niedrigeren Schulabschlüssen ist die duale Ausbildung die beste Möglichkeit für den Einstieg in einen Beruf mit gutem Einkommen.
Frank Hinte, Geschäftsführer der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung
Ein wirksamer Handlungsansatz findet sich direkt in den Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben. Beide Lernorte können zu attraktiven Ausbildungsorten mit zeitgemäßen Lernformen werden und gleichzeitig zum Bildungserfolg beitragen, wenn sie den immer vielfältigeren individuellen Voraussetzungen und Bedürfnissen der Schüler:innen aus unterschiedlichen sozialen und kulturellen Milieus gerecht werden. Findet eine kontinuierliche Zusammenarbeit dieser Lernorte statt, kommt das auch dem Lernerfolg den Schüler:innen zugute.
Das Programm bildung.digital hat sich mit seinem Netzwerk #HESSENbildung.digital der Stärkung der Lernortkooperation angenommen. Für mehr als zwei Jahre machten sich im Netzwerk #HESSENbildung.digital zehn Tandems aus Berufsschulen und Ausbildungsunternehmen auf den Weg, die Lernortkooperation zu stärken und Konzepte digital gestützten Lehrens und Lernens zu entwickeln.
So hat beispielsweise das Tandem aus dem Ausbildungsbetrieb DAW SE und der Berufsschule Friedrich-List-Schule Darmstadt gemeinsam Lernvideos erstellt, die sowohl im Unterricht als auch im Unternehmen Einsatz finden: „Die Verzahnung von betrieblicher Praxis und schulischer Theorie ist für alle Seiten ein Gewinn.“, so Schulleiter Jaroslav Kois. „Anhand der Videos können beispielsweise Auszubildende mit Fluchthintergrund auch bestimmte Sachverhalte leichter erfassen oder einüben.“ So gelingt es beiden Lernorten Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die individuellen Voraussetzungen der sozialen Herkunft berücksichtigen und so zum Bildungserfolg beitragen.
Hier geht es zum vollständigen Interview der Ausbildungspartner des Tandems 2 im Netzwerk #HESSENbildung.digital
Lösungsansätze für erfolgreichen Übergang ins Berufsleben
Aus Sicht der Expert:innen liegt das größte Potenzial bereits in der Verbesserung der Berufsorientierung an den allgemeinbildenden Schulen. Umso früher die Jugendlichen individuelle und kontinuierliche Unterstützung erhalten, desto besser gelingt der erfolgreiche Übergang in eine Ausbildung.
Ein weiterer Trend ist die Flexibilisierung des Ausbildungssystems. Unternehmen werden zukünftig immer häufiger Menschen mit Teilqualifizierungen einstellen. Beschäftigungsmöglichkeiten für Geringqualifizierte werden hingegen eher abnehmen. Über den Weg der modularen Ausbildung könnte es Jugendlichen ermöglicht werden, auch unter anspruchsvollen Bedingungen, einen vollwertigen Ausbildungsabschluss zu erlangen.
Hintergrundinformationen zur Delphi-Studie der DKJS und der Bertelsmann Stiftung finden sich hier