Zwar ist das Lernen mit digitalen Medien schon vor 2019 integrativer Bestandteil der Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung am RBZ Wirtschaft . Kiel gewesen, mit dem Konzept möchte die Schule ihren Blick jedoch weiten. Neben kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklungszielen beinhaltet es auch vier Entwicklungsbereiche mitsamt ausgearbeiteten Konzepten, zu denen das pädagogische Medienkonzept, das Fortbildungs-, Ausstattungs- und Supportkonzept aber auch der Bereich Gemeinsames Lernen durch Best Practice gehört.
Neue Medien, neue Herausforderungen
Generative KI und Immersive Medien – zwei wichtige Themen, die aber auch große Herausforderungen darstellen, wie Ralf Meier im Gespräch mehrfach betont. Dass generative KI ein fester Bestandteil der zukünftigen Arbeitswelt sein wird, da sind sich alle drei Schulvertreter:innen sicher. Umso wichtiger ist es jedoch, so Ralf Meier, die Schüler:innen darauf gut vorzubereiten, das gesamte Schulkollegium mitzunehmen und im Umlauf befindliches Halbwissen aufzulösen. Um für das Thema zu sensibilisieren, darüber zu informieren und zu inspirieren lud man Prof. Dr. Doris Weßels im letzten Jahr zum Schulentwicklungstag ein. Die Professorin für Wirtschaftsinformatik der FH Kiel widmete sich in ihrem Vortrag den Einsatzmöglichkeiten, Chancen und Potenzialen der KI im schulischen Kontext. Während KI-Anwendungen vielfache Diskussionen entfachten – unter anderem zu sich verändernden Bewertungsmaßstäben – motivierte der Vortrag bereits einige Kolleg:innen, die sich noch genauer mit der KI auseinandersetzten und diese in ihrem Unterricht erprobten. Im nächsten Schritt, so Ralf Meier, arbeite man daran, das Wissen zu bündeln und genau zu prüfen, in welchen schulischen Bereichen die KI sinnvoll eingesetzt werden kann.
Auch die immersiven Medien, bei denen hauptsächlich zwischen Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) unterschieden wird, nehmen an der Schule weiter an Bedeutung zu. Nicht zuletzt durch die Fotomedien-Ausbildung, die am RBZ Wirtschaft . Kiel angeboten wird, beschäftige man sich laut Schulleiter Gerhard Müller bereits intensiv mit jenen Medien, darunter vor allem 360-Grad-Videos und interaktiven Videos mit H5P im beruflichen Kontext Foto und Medien. Wie der Schulleiter weiter erklärt, sei bereits eine hohe Expertise in dem Themenfeld vorhanden. Gleichzeitig hätte man auch schon umfangreich in technische Ausstattung investiert, die es nun flächendeckend für die Schule auszurollen gilt.
Eine Ermöglichungskultur
Technisch ist die Schule sehr gut ausgestattet. Nicht nur die Schüler:innen erhalten notwendige Endgeräte, sondern auch die Lehrkräfte – mitsamt begleitenden Fortbildungsmaßnahmen zum handlungssicheren Umgang, sinnvollen Einsatzmöglichkeiten sowie Methoden und Strategien des individuellen Lernens mithilfe der neuen Medien. Überhaupt spielen Fortbildungen eine wichtige Rolle am RBZ Wirtschaft . Kiel, wie der Schulleiter betont. „Für unsere Lehrkräfte machen wir wirklich viel.“ Ob interne Mikrofortbildungen wie das Fortbildungscafé, das im Rahmen der Teilnahme am Programm bildung.digital initiiert wurde, externe Schulungen und Fortbildungen, darunter für Englischlehrer:innen zum Thema „Digitalisierung im Fremdsprachenunterricht“ oder auch schulische Digitalcoaches sowie IT-Beratungs- und Schulungsgruppen: Die Schule biete laut Schulleiter einen „breiten Strauß an Unterstützungssystemen“. Auch die letzten Schulentwicklungstage drehten sich mit verschiedenen Workshops und Keynotes im Schwerpunkt um die Digitalisierung an der Schule. Außerdem verfügt jede der 15 Abteilungen über einen Fortbildungsbeauftragen, der sich den Wünschen und Bedarfen des Kollegiums annimmt.
Neben der kollegialen Unterstützung und dem breiten Fortbildungsangebot sei laut Schulleiter auch das eigenständige Ausprobieren und Möglichmachen von zentraler Bedeutung, um sich den neuen Medien anzunähern. „Wir erlauben ganz bewusst eine Ermöglichungskultur. Wenn Kolleg:innen ein Thema spannend finden, können sie sich in ihrem Fach- oder Bildungsgang frei ausprobieren.“ Hierfür stünden ihnen vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, die laut Schulleiter auch in Anspruch genommen werden: „Ich erlebe unser Kollegium als sehr aufgeschlossen und motiviert. Ich habe das Gefühl, dass die Kolleginnen und Kollegen den rasanten Veränderungen und Neuerung positiv gegenüberstehen und sich auch ganz proaktiv ausprobieren wollen.“ Vernetzung spiele dabei eine wichtige Rolle, so der Schulleiter weiter. „Wir haben zuletzt einen „Schulentwicklungstag-On-Tour“ durchgeführt. Die Kolleginnen und Kollegen sind in Betriebe gegangen und haben sich informiert, was genau dort passiert und welche Aufgaben anfallen.“ Diese Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten – auch mit anderen Schulen oder Universitäten – seien von unschätzbarem Wert, so Gerhard Müller. Das zeigte sich auch in der Teilnahme am Digitalen Netzwerk von bildung.digital. Darüber hinaus hat die Schule am Coaching zu Mikrofortbildungen von bildung.digital teilgenommen, das sich im Schwerpunkt um innerschulische Vernetzung und Wissenstransfer drehte.
Auch die Schüler:innen erhalten ein breites Unterstützungsangebot im Umgang mit den digitalen Medien und den dafür notwendigen Kompetenzen. Sie werden darin gestärkt, sich kritisch und verantwortungsvoll mit den Medien, aber auch den Daten auseinanderzusetzen. Außerdem werden sie mit niedrigschwelligen Angeboten regelmäßig für Themen wie Cybermobbing oder Fake News sensibilisiert.
Matheunterricht zum Anfassen
Dass sich mit digitalen Medien und Tools auch neue Lernprozesse anstoßen lassen, wird am RBZ Wirtschaft . Kiel nicht nur am Distanzlernen deutlich, das problemlos in allen Klassen funktioniert. Auch im Unterricht kommen diese vielfältig zum Einsatz. Nadine Rohlfs berichtet vom 3D-Druck, den sie in ihrem Matheunterricht implementiert hat. Entstanden ist der Einsatz durch die Teilnahme an dem Projekt DiASper (Digitale Arbeitswelt aus Schulperspektive: Der Weg von Mathematik und Technologie zum 3D-Druck im Unterricht). Das Projekt DiASper hat sich zum Ziel gesetzt, die digitalen Kompetenzen von Schüler:innen durch Integration von Konzepten zur Verknüpfung von Mathematik/Technik und 3D-Druck in den regulären Schulunterricht zu fördern, wo mithilfe einer Mathesoftware 3D-Drucke erprobt wurden. Zwar ist das Projekt im Frühjahr ausgelaufen, den Druck führt sie mit ihren Klassen aber weiterhin durch. Insgesamt vier Drucker stehen der Lehrerin dafür zur Verfügung. Statt abstrakter Zahlen geht es bei dem Projekt darum, Mathe erlebbar zu machen. So entwickeln die Schüler:innen beispielsweise mithilfe mathematischer Kurven eigene dreidimensionale Logos und lassen diese anschließend drucken. Dass es dabei auch mal zu Misserfolgen kommt, bleibt laut Nadine Rohlfs nicht aus. Im Gegenteil: Aus ihrer Sicht sind diese wichtig. Denn nur wer auch mal scheitert, kann daraus lernen.
SAMR, 6C und Dagstuhl-Dreieck
In ihrem Rahmenkonzept „Lernen mit digitalen Medien“ ist auch das SAMR-Modell von Ruben Puentedura verankert. Dieses stellt ein hilfreiches Werkzeug für die Integration digitaler Medien im Unterricht dar und unterstützt Lehrkräfte dabei, ihr eigenes Bildungsanagebot zu analysieren und reflektieren. Das RBZ Wirtschaft . Kiel nutzt das Modell ganz konkret, um Schulbereiche und -einheiten zu identifizieren, in denen es einen „Digitalen Mehrwert“ gibt. Sprich, in denen digitale Medien sinnvoll eingesetzt und sich Lernprozesse gewinnbringend verändern lassen. „Ich finde das SAMR-Modell wichtig, um den Kolleg:innen aufzuzeigen, wo wir stehen – und vor allem, wo wir hinwollen“, erklärt Gerhard Müller, der jedoch auch betont: Pädagogik vor Technik. Neben SAMR rückt aber auch das 6C-Modell stärker in den Fokus. Das Modell basiert auf den sechs Zukunftskompetenzen – Critical thinking, Collaboration, Communication, Creativity, Citizenship and Connectivity (oder Character education).
Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen stelle das Modell laut Ralf Meier ein wichtiges und hilfreiches Instrument im schulischen Alltag dar, in dem viel pädagogisches Potenzial stecke. Aber auch das Dagstuhl-Dreieck gewinne zunehmend an Bedeutung, wie er weiter ausführt. „Gerade in Hinblick auf KI und eine Unterscheidung zwischen Funktion und Auswirkung, finde ich das Modell besonders relevant.“ Das Modell visualisiert drei Perspektiven, aus denen digitale Bildung betrachtet werden muss: aus technologischer Sicht (Wie funktioniert das?), anwendungsbezogener Sicht (Wie nutze ich das?) und gesellschaftlich-kultureller Sicht (Wir wirkt das?).
„Wir werden kein Ende erreichen“
Herausfordernde Zeiten verlangen mutige, innovative Ideen, Veränderungsbereitschaft und die Erkenntnis, dass man eben auch mal scheitern kann. Verschiedene Projekte anzustoßen sei wichtig, aber nicht um jeden Preis – so der Schulleiter. „Natürlich ist es super, wenn Projekte klappen. Aber es ist auch nicht weiter schlimm, wenn eben mal etwas nicht funktioniert. Wichtig ist es, das Gesicht zu wahren.“ Er empfiehlt anderen Schulen, die sich auf den Weg machen wollen, klein anzufangen und zu akzeptieren, dass man „nicht immer alle gleichzeitig mitnehmen muss“. Jede:r Kolleg:in hat sein:ihr eigenes Tempo – und das sei auch gut so.
Dazu ergänzt Ralf Meier: „Ich sehe das ganze wie eine Welle. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich auf der Welle schwimme – zum Beispiel, wenn es um Endgeräte für Schüler:innen und Lehrkräfte geht. An anderen Stellen – zum Beispiel, wenn es um neue KI-Tools geht, die über ChatGPT hinausgehen – dann fühle ich mich so, als würde die Welle auf mich zurauschen. Wenn ich nichts tue, dann treibe ich weg. Daher muss ich als Lehrkraft ständig dranbleiben – das ist unser Tagesgeschäft. Es geht nicht darum, ein Ende zu finden, sondern die nächste Welle, die nächste Herausforderung.“