Die digitale Transformation ist nicht nur für die Gesellschaft eine Mammutaufgabe, auch Schulen stehen vor großen Herausforderungen. Neben pädagogisch-didaktischen Konzepten für den Einsatz digitaler Medien und Tools in Schule und Unterricht bedarf es zudem einer lückenlosen Ausstattung mit Software und Endgeräten. In unserer zweiteiligen Artikelserie Wege zur digitalen Schule nehmen wir sowohl die Angebote großer Digitalunternehmen in den Blick als auch alternative Open Source-Ansätze. Teil I stellt die Aktivitäten von Apple und Microsoft im Bildungsbereich in den Mittelpunkt und liefert Einblicke in die Schulpraxis einer Microsoft Showcase School und einer Apple Distinguished School. Teil II fokussiert sich hingegen auf Open Source-Ansätze und deren Implementierung im schulischen Kontext anhand eines weiteren Schulbeispiels.
Open Source als Alternativmodell
Der Alltag in unserer digitalisierten Welt ist durchdrungen von den Produkten großer internationaler Digitalunternehmen. Wir lesen Nachrichten auf unseren iPhones, wir verfassen Texte oder verwalten Zahlen in Microsofts Office-Umgebung, nutzen soziale Medien auf unseren Google-Smartphones und schauen Netflix-Serien auf unseren Tablets oder Smart-TVs. Oftmals haben einzelne Unternehmen in bestimmten Anwendungsbereichen eine Monopolstellung und dominieren mit ihren Produkten den Markt. So erreichen die unterschiedlichen Versionen des Windows-Betriebssystems von Microsoft 2023 einen Marktanteil von fast 80% in Deutschland, auch Microsofts Office-Umgebung hat sich mit einer Verbreitung von 85% in deutschen Unternehmen weitestgehend als Standard durchgesetzt. Bei Tablets, die in immer mehr Privathaushalten vorhanden sind, führt hingegen Apples iPad mit einem Anteil von gut 55% die Statistiken an.
Doch auch wenn es auf den ersten Blick folgerichtig erscheint, auch im schulischen Kontext auf die in anderen Bereichen bewährten Systeme zurückzugreifen, gibt es zahlreiche Alternativen und gewichtige Gründe, diese bei der Auswahl zumindest in Betracht zu ziehen. Gerade der sogenannte Lock-In-Effekt kann sich dabei zukünftig als kostenintensive Falle erweisen. Damit wird die Bindung an einen Hersteller oder ein Produkt umschrieben, weil sich der Wechsel zu Konkurrenzprodukten wirtschaftlich nicht lohnt. Oftmals zielen Hersteller durch günstige Einstiegsprodukte und hohe Folgekosten auf diesen Effekt ab. Ein oftmals genanntes Beispiel dafür sind günstige Drucker und teure Patronen. Gerade der Einkauf digitaler Infrastruktur im Zuge der Pandemie und mit Mitteln des DigitalPakts bildet ein lukratives Einfallstor für große Digitalunternehmen. Der alleinige Fokus auf Endgeräte und Software großer Digitalunternehmen birgt dabei jedoch das Risiko sich auf eine Pfadabhängigkeit zu begeben. Auch stellt die Präsenz und der ausschließliche Umgang mit diesen Produkten Schulen als werbefreie Erfahrungs-, Schutz-, und Sozialisationsräume in Frage. Ziel sollte es also vielmehr sein, eine bedarfsorientierte und heterogene digitale Ausstattung anzustreben, um Lernenden unterschiedliche Zugänge und Perspektiven zu ermöglichen.
Insbesondere Open Source-Lösungen bilden den Gegenentwurf zu den Anwendungen und Produkten großer Digitalunternehmen wie Microsoft, Apple & Co. Open Source steht dabei für Software, deren Quelltext öffentlich ist und von Dritten eingesehen, geändert und verwendet werden kann. Open Source-Software kann unter Einhaltung der Lizenzbedingungen meist kostenlos genutzt und für die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Beliebte Anwendungen im Bildungsbereich wie das Learning Management System (LMS) Moodle basieren beispielsweise auf frei zugänglicher Software. Aber auch für Microsofts Office-Paket gibt es Open Source-Alternativen und mit Android steht ein mobiles Betriebssystem zur Verfügung, das ebenfalls auf öffentlich zugänglichem Code basiert.
Doch wie gestaltet sich der Einsatz von Open Source-Lösungen im schulischen Kontext? Welche Herausforderungen gilt es zu meistern und ist eine komplette Abkopplung von den Produkten großer Digitalunternehmen überhaupt möglich und erstrebenswert? Um diese Fragen zu beantworten, haben wir mit Dr. Stephan Schmidt, Koordinator u.a. für die Umsetzung der Digitalisierung im Unterricht des Georg-Büchner-Gymnasiums gesprochen, der uns Einblicke in den Schulalltag gewährt.
Digitale Souveränität im Mittelpunkt
Nicht nur im Hinblick auf mögliche Lock-In-Effekte bieten sich Open Source-Lösungen als Alternative zu den oft cloudbasierten Diensten großer Digitalunternehmen an. Auch in Sachen Datenschutz hat freie Software meist einen Vorteil gegenüber Microsoft, Apple & Co. Denn die Datenverarbeitung und -speicherung kann oftmals auf schuleigenen Servern stattfinden, in den meisten anderen Fällen ist aber zumindest die DSGVO-konforme Verarbeitung möglich. So kann die Souveränität über die eigenen Daten stets gewährleistet werden. Wie der konkrete Einsatz offener Software in der Schule aussehen kann, zeigt sich am Georg-Büchner-Gymnasium im niedersächsischen Seelze-Letter. Alle schulischen Laptops sowie die Computer der Lehrkräfte basieren auf dem offenen und kostenfreien Betriebssystem Linux und sind mit Open Source-Software ausgestattet. Doch wie in den in Teil I der Artikelserie vorgestellten Schulen, gibt es auch hier keine Ausschließlichkeit. „Wir haben jetzt drei BYOD-Pilotklassen (Bring Your Own Device) und da haben die Schüler:innen natürlich Apple und Windows-Software“, berichtet Dr. Stephan Schmidt. Dennoch liege der Fokus auf der Nutzung frei verfügbarer und quelloffener Anwendungen.