iStock | Maria Symchych-Navrotska
Seit Beginn der schrittweisen bundesweiten Schulschließungen Ende März stehen Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schüler vor der Herausforderung, Lehren und Lernen dezentral zu organisieren. Im Onlineformat Schulcafé Digital der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung tauschen sich seitdem wöchentlich engagierte Pädagoginnen und Pädagogen zu ihrem Umgang mit der aktuellen Situation aus – darunter auch Martina Kaltenbacher vom Leibniz-Gymnasium Berlin. Mit ihrem Schulteam hatte sie in den vergangenen zwei Schuljahren auch an bildung.digital – Netzwerk ganztägig Bilden teilgenommen. Im kollegialen Austausch beim Schulcafé Digital fiel auf: Das Leibniz-Gymnasium scheint die aktuellen Herausforderungen gut zu meistern.
Im Folgenden hat uns Frau Kaltenbacher einige Fragen dazu beantwortet, wie die Schulorganisation an ihrer Schule gelingt:
Frau Kaltenbacher, wie war der Stand in Bezug auf Digitalisierung an Ihrer Schule vor der durch die Ausbreitung von COVID-19 bedingten Schulschließung?
Martina Kaltenbacher: Wir waren am Ende einer intensiven zweijährigen Beschäftigung mit der Digitalisierung unserer Schulkommunikation und unseres Unterrichts, die unter anderem durch unsere Teilnahme am Netzwerk bildung.digital vorangetrieben wurde. Unsere Arbeitsgruppe ‚Digitalisierung‘ – bestehend aus Lehrkräften, Schulleitung, interessierten Eltern und Schülerinnen und Schülern – hatte sich regelmäßig getroffen und am Ende einen Medienentwicklungsplan fertiggestellt sowie wichtige Entscheidungen bezüglich der an der Schule verwendeten digitalen Arbeits- und Kommunikationsmittel getroffen. Außerdem wurden zwei Studientage zum Thema Digitalisierung des Unterrichts durchgeführt. Insofern hatten wir schon eine ganz solide Grundlage geschaffen.
Was hat sich durch die aktuelle Situation geändert?
Martina Kaltenbacher: Corona wirkte in den Wochen vor Ostern wie ein Katalysator. Alles, was schon angelegt war, wurde nun auf breiter Basis erprobt, erlebt und gelebt.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit im Kollegium nun?
Martina Kaltenbacher: Im Allgemeinen sehr gut. Die Klassenleitungen / Tutorinnen verschaffen sich einen Überblick über die Aufgaben, die von den Lehrkräften an die Lernenden vergeben werden. Technische Fragen werden über die Digitalisierungsgruppe gelöst. Dennoch gab es wohl Einzelne, die sich während der drei Wochen recht ‚zurückhaltend‘ verhalten haben. Unsere Endumfrage kurz vor den Osterferien wurde aber von einer überwiegenden Zahl der Lehrkräfte beantwortet und dient uns jetzt als Grundlage für ein Empfehlungspapier, das nächste Woche verteilt wird.
Welche Rolle spielt die Schulleitung dabei?
Martina Kaltenbacher: Die Schulleitung kommuniziert neue Beschlüsse sehr zeitnah und reagiert auf Fragen oder Probleme mit verbindlichen Ansagen.
Wie steht es um die Erreichbarkeit der Schülerinnen und Schüler?
Martina Kaltenbacher: Insgesamt gut. Wir haben ja schon vorher das Konzept BYOD (= Bring Your Own Device) verfolgt und konnten davon ausgehen, dass die Lernenden zumindest ein Smartphone zur Verfügung haben. In der Regel sind zu Hause auch PCs oder Tablets vorhanden, allerdings müssen sich die Lernenden oft absprechen, wenn Geschwister auch darauf zugreifen wollen oder die Eltern die Geräte für das Home-Office brauchen. Von daher sind verbindliche Zeiten für Videokonferenzen zum Teil nicht so einfach anzusetzen.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Eltern?
Martina Kaltenbacher: Gut. Fragen werden entweder direkt mit den Lehrkräften oder über die Elternvertretungen und die Klassenlehrkräfte besprochen. Die Gesamtelternvertretung hat auch ein Feedback an die Lehrkräfte erstellt. Es hilft, dass alle Kolleginnen und Kollegen eine Schulmailadresse haben.
Wie steht es um die Ausstattung bei Kollegium und Schülerschaft?
Martina Kaltenbacher: Allen Kolleginnen und Kollegen steht die Office 365 Plattform zur Verfügung mit Teams als zentralem Element. Darüber hinaus bietet das Land Berlin die Moodle-Plattform Lernraum-Berlin an. Der überwiegende Teil des Kollegiums arbeitet mit Office. Alle Schülerinnen und Schüler können auf beide Plattformen zugreifen. Die Schülerinnen und Schüler haben für Office einen Schulaccount und eine Schulmailadresse bekommen.
Arbeitet das ganze Kollegium im Home-Office oder ist auch jemand in der Schule?
Martina Kaltenbacher: Die Schulleitung und die pädagogischen Koordinatorinnen sind in der Schule, und natürlich auch das Sekretariat und die Verwaltungskraft. Vereinzelt haben Kolleginnen und Kollegen auch die Schule für die Organisation des Online-Unterrichts genutzt.
Welche Tools würden Sie als besonders hilfreich hervorheben?
Martina Kaltenbacher: Office 365 mit all seinen Erweiterungsmöglichkeiten bietet wirklich alles, was man braucht. Über Teams werden Nachrichten ausgetauscht, Klassen organisiert, Aufgaben vergeben und Feedback verteilt. Padlet nutzen wir für die Sammlung von technischen Tipps und für das Feedback (neben MS-Forms).
Werden Tools von der Schulleitung vorgegeben oder probiert jede und jeder für sich aus? Wie funktioniert der Austausch darüber?
Martina Kaltenbacher: Vorgegeben wurde nichts, aber durch unsere Vorbereitung war klar, dass entweder mit Lernraum oder Office (oder beidem) gearbeitet würde. Der Austausch über die Vor- und Nachteile dieser Arbeitsmittel war vorher schon sehr rege. Für das Abbilden der Schulstruktur (Dokumente, Protokolle, Fachbereiche etc.) nutzen wir den Lernraum. Für die Arbeit mit den Schülerinnen und Schüler nutzen fast Alle mittlerweile Teams/Office.
Wie blickt ihr in die Zeit, wenn der Schulbetrieb wieder aufgenommen wird? Wie bereitet ihr euch darauf vor?
Martina Kaltenbacher: Mit Spannung. Zum jetzigen Zeitpunkt (16.4.2020) ist in Berlin noch nicht bekannt, wie es genau in den Schulen weitergehen wird. Wie oben gesagt, arbeitet eine Kerngruppe (Mitglieder der Digitalisierungsgruppe / Evaluationsbeauftragte / Schulleiterin) an einem Papier, was Anfang der nächsten Woche ausgegeben werden soll. Darin sind Empfehlungen für die weitere Online-Arbeit niedergelegt und eine Sammlung von technischen Tipps, die auf Fragen aus dem Feedback der Kolleginnen und Kollegen von vor den Ferien zurückgeht.
Was lernt ihr aus der aktuellen Situation für die Zukunft?
Martina Kaltenbacher: Eine wichtige Lehre ist, dass die gesammelten Erfahrungen immer wieder gebündelt und reflektiert werden müssen. Der Online-Unterricht zu Hause vereinzelt ja doch notgedrungen die Lehrkräfte und daher ist es umso wichtiger, dass immer wieder Feedbackphasen mitgedacht werden. Es ist außerdem gut zu wissen, dass der Ansatz unseres Medienentwicklungsplans dem ‚Ernstfall‘ standgehalten hat. Wir setzen auf komplexe Lernaufgaben und wählen die Tools entsprechend der inhaltlichen Anforderungen aus. Das passt zu unserer Schülerschaft. Es bleibt aber eine Diskussion, wie die Balance zwischen Komplexität und Langfristigkeit der Aufgaben und gleichzeitig regelmäßigem Kontakt und zeitnahem Feedback an die Lernenden geschaffen werden kann. Außerdem müssen wir kreativer werden bei der Umsetzung kollaborativer Aufgaben und der Erprobung verschiedener (Peer-)Feedbackmöglichkeiten, damit wir nicht völlig in der Korrektur schriftlicher Aufgaben versinken.
Vielen Dank für das Interview - und weiterhin viel Erfolg für diese herausfordernde Zeit!