Bei Veränderungsprozessen alle mitnehmen

Schulentwicklung ist Veränderung und bei Veränderungsprozessen stößt man unweigerlich auf Widerstände. Gerade Fragen der Digitalisierung sind oft mit Vorbehalten und Ängsten behaftet. Die Methode “Räume der Veränderung” hilft.

Teilnehmerinnen eines bildung.digital-Netzwerktreffens ergänzen im Raum der Erneuerung. Foto: DKJS

In diesem Coronajahr fanden und finden an Schulen große Umbrüche statt. In vielen Fällen waren und sind Bewegungen hin zu mehr Digitalisierung dabei aus der Not geboren und somit eher unfreiwilliger Natur. Durch die vollendete Tatsache der Schulschließungen Ende März mussten Schulen digitalisierte Organisations- und Unterrichtsverfahren zudem recht spontan einführen, für strukturiert aufgegleiste Veränderungsprozesse blieb keine Zeit.

Veränderungsprozesse rufen Widerstände hervor

Dabei wissen wir eigentlich aus der Organisationsentwicklung, dass man mit Veränderungsprozessen nach Möglichkeit nicht warten sollte, bis es nicht mehr anders geht. Denn dann sind die Prozesse von Vornherein problembehaftet. Veränderungen rufen Widerstände hervor. Manche im Kollegium sind Feuer und Flamme, andere haben Vorbehalte und Ängste. Gerade in Bezug auf Digitalisierung haben viele die Sorge, dass sie oder ihre Schülerinnen und Schüler nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügen. Oder aber ihre Abwehrreaktion erklärt sich durch eine Haltung des “Funktioniert doch!” oder “Hat doch bisher auch funktioniert!”, die Sascha Lobo kürzlich in einem Spiegel-Artikel beschrieben hat.

Der Change-Management-Ansatz von bildung.digital

Bildung.digital begleitet Schulen dabei, ihre digitalen Vorhaben und Konzepte im Rahmen eines gesteuerten Schulentwicklungsprozesses umzusetzen. Dabei wird auch auf Methoden des Change Managements zurückgegriffen. Solche Methoden haben den Vorteil, dass sie sehr partizipativ sind und die Sorgen, Vorbehalte und Ängste Einzelner im Team anerkennen. Man müsse “den Widerstand liebevoll umarmen”, formuliert es das Augustinus-Gymnasium Weiden, das sich 2017 im Rahmen von bildung.digital auf den Weg gemacht hat.

“Die größte Herausforderung war die Mitnahme und Akzeptanz des gesamten Kollegiums von der analogen Gegenwart in die digitale Zukunft,” sagte uns Lehrerin Birgit Zimmermann im Interview, “die Digitalisierung im schulischen Bereich kann nur mit den Lehrkräften stattfinden, nicht gegen sie.” “Als ersten Schritt,” so Zimmermann weiter, sollte man daher “herausfinden, wer Interesse und Motivation hat, die Schule voranzubringen, und aus welchen Gründen manche die digitalen Maßnahmen ablehnen.” Denn “keiner darf überfordert und abgehängt werden! […] Um das gesamte Kollegium mitzunehmen, ist eine offene Kommunikation und Transparenz nach allen Seiten wichtig und ein kontinuierlicher Austausch mit allen Beteiligten notwendig.”

Die Methode “Räume der Veränderung”

Die Aufgabe, das gesamte Kollegium mitzunehmen, fällt in aller Regel der Steuergruppe zu, also denjenigen Personen, die für einen Veränderungsprozess verantwortlich sind. Und dies sind typischerweise genau die Personen, die in schulischen Entwicklungsnetzwerken von bildung.digital ihre jeweiligen Schulen vertreten.

Moderator führt Teilnehmende an einem bildung.digital-Netzwerktreffen durch die Räume. Foto: DKJS

Mit ihnen führen wir bei Netzwerktreffen beispielsweise die Methode “Räume der Veränderung” durch, die erstmalig vom schwedischen Psychologen Claes Janssen beschrieben wurde. Die theoretische Basis dieser Methode bildet wiederum das 1970 von der Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross geschilderte Modell der fünf Phasen der Trauer: Leugnen, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. In der Organisationsentwicklung wurde, um Veränderungsprozesse darzustellen, dieses Modell auf sieben Phasen erweitert: Schock, Ablehnung, Einsicht, Akzeptanz, Lernen, Zustimmung und Übernahme. Wichtig dabei ist, dass ein Prozess nur gelingen kann, wenn alle Phasen durchlaufen werden, egal ob von einer trauernden Person oder einer sich verändernden Organisation. Auch wenn einige der Phasen für die Beteiligten sehr unangenehm sind – sie müssen da durch und die gewonnen Erkenntnisse lohnen sich am Ende für alle.

Praktische Durchführung

Bei der Methode “Räume der Veränderung” sind diese sieben Phasen vier “Räumen” zugeordnet. Diese können bei Präsenztreffen mit im Kreuz aufgestellten Pinnwänden suggeriert werden, bei Online-Treffen ist die Nutzung von Whiteboards denkbar. Wichtig: Alle Räume müssen durchschritten werden, und zwar ausschließlich in der dafür vorgesehenen Reihenfolge, und es gibt keine Abkürzungen. Die Methode eignet sich als Planungs- oder Diagnoseinstrument, für den Beginn eines Prozesses oder als Krisenintervention. Sie kann mit oder durch die Steuergruppe oder auch mit allen Betroffenen (z.B. Schulfamilie) - oder zumindest einer Gruppe, in der alle verschiedenen Anspruchsgruppen (Schulleitung, Lehrkörper, Schülerschaft, Eltern …) vertreten sind - durchgeführt werden.

Als ersten Schritt “begeht” man mit allen Teilnehmenden die vier Räume und erläutert die verschiedenen Phasen des Veränderungsprozesses. Dabei hilft es, wenn man einen selbst erlebten Veränderungsprozess aus dem schulischen Kontext als roten Faden nutzt. Die Räume sind:

Nachdem sich alle mit den vier Räumen vertraut gemacht hat, geht es in vier Schritten weiter:

Eine ausführliche Beschreibung der Methode mit Tipps und Vorlagen zur Vorbereitung finden Sie in unserer Toolbox unter “Schulentwicklung starten”.