Scrum in der Schule

Tom Mittelbach I CC BY NC SA

Im Rahmen eines interaktiven Webinars führte Tom Mittelbach in Scrum als Methode des agilen Projektmanagements im Schulunterricht ein.

Agiles Arbeiten spielt im Management von Projekten in zahlreichen Institutionen eine immer größere Rolle. Mit dieser Begrifflichkeit sollen vor allem flexible und dynamische Arbeitsweisen umschrieben werden, bei denen ein Team mit großer Eigenverantwortlichkeit und Anpassungsfähigkeit eine Aufgabe umsetzt. Auch im Schulunterricht lässt sich agiles Arbeiten einsetzen, um eigenverantwortliche Projektarbeit von Schüler:innen zu ermöglichen.

Grundlagen von Scrum

Tom Mittelbach, Fachoberlehrer, Redner und freiberuflicher Fortbildner für agile Bildung, führte in seinem interaktiven Webinar in die agile Projektmanagement-Methode Scrum und ihre Anwendung im Unterricht ein. Scrum stammt ursprünglich aus der Softwareentwicklung, wird jedoch heute in vielerlei Kontexten angewendet. Beschreiben lässt sich die Methode am besten als ein Rahmenwerk, innerhalb dessen Menschen komplexe und adaptive Aufgaben bearbeiten. Durch die Orientierung an bestimmten Regeln entstehen so in einem produktiven und kreativen Prozess Produkte in bestmöglicher Qualität. Den Kern von Scrum bilden die Werte Selbstverpflichtung, Mut, Respekt, Fokus und Offenheit. Daneben legt das agile Manifest, das mit einigen Anpassungen auch Ausgangspunkt für die Anwendung im Schulunterricht ist, die Grundprinzipen der Methode fest.

Wie hier bereits deutlich wird, steht bei Scrum die Zusammenarbeit im Team im Mittelpunkt. Für die Anwendung im Schulunterricht bedeutet dies einerseits, sich von der Bewertung von Einzelleistungen zu lösen und die Arbeit des Teams in den Blick zu nehmen. Andererseits lassen sich durch die Projektarbeit mit Scrum bei den Schüler:innen gezielt die 4Ks, bzw. 6Cs fördern. Die auch als 21st Century Skills bezeichneten Eigenschaften umfassen die Dimensionen Kommunikation, Kollaboration, Kreativität, kritisches Denken, Charakterentwicklung sowie Staatsbürger:innenkompetenzen. Denn die gemeinsame Arbeit an einem Projekt erfordert hohe soziale Fähigkeiten und erlaubt es den Schüler:innen, eigene Stärken zu erkennen und auszubauen. So lässt sich ebenfalls die Diversität von Schulklassen als Potential nutzen. Gleichzeitig werden die Lernenden so auf eine Welt vorbereitet, die sich durch immer schnelleren Wandel und wachsende Unbeständigkeiten auszeichnet. Denn gerade agile Arbeitsweisen berücksichtigen, das Lern- und Arbeitsprozesse selten linear verlaufen, sondern von Höhen, Tiefen und Umwegen gekennzeichnet sind.

Spielerischer Einstieg in iteratives Arbeiten

Scrum basiert aus diesem Grund auf einem iterativen Prozess, also auf einem Vorgehen, bei dem ein Arbeitsablauf regelmäßig wiederholt wird, um Fehler zu erkennen und zu beheben, Routinen zu entwickeln und sich so schrittweise dem Arbeitsziel anzunähern. Dabei spielt eine positive Fehlerkultur eine wichtige Rolle. Denn Fehler werden nicht als Scheitern begriffen, sondern als Chance für Verbesserungen. Wie solch ein iterativer Prozess im Kleinen aussehen kann, demonstrierte Tom Mittelbach mit Hilfe des agilen Spiels Taschenrechner. So konnten die Teilnehmenden in zwei Gruppen selbst erfahren, wie die Lösung einer gleichbleibenden Aufgabe – das Finden und Markieren von Zahlen innerhalb eines Zeitfensters – mit jeder Wiederholung und Strategieanpassung leichter fiel. Das Bearbeiten in Etappen, die klare Aufgabenteilung und die Kommunikation innerhalb der Gruppe waren einerseits der Schlüssel zur immer effizienteren Zusammenarbeit im Zuge des agilen Spiels. Andererseits lernten die Teilnehmenden so die Grundelemente von Scrum kennen: die Wiederholung der Elemente Planung, Umsetzung, Rückblick und Identifikation von Fehlern sowie die Anpassung der Strategie. Um diese Elemente in die Pro-jektarbeit zu intergieren, werden bei Scrum ein Satz an Rollen und Begriffen genutzt.

Scrum im Schulunterricht

Übertragen auf die Anwendung im Unterricht und den Einsatz von Scrum in der Projektarbeit, übernehmen die Schüler:innen die Rolle des Entwicklungsteams. Im Idealfall bilden vier Lernende eine Gruppe, die sich selbst organisiert und gemeinsam ergebnisverantwortlich für das Projektvorhaben ist. Die Lehrkraft tritt als Stakeholder auf und erstellt und pflegt den Product Backlog. Bei der Anwendung in der Schule handelt es sich dabei um die Definition des Produktes, die User-Stories und eine Auflistung der Lernziele. Hier werden die projektbezogenen Aufgaben festgelegt und Akzeptanzkriterien definiert. Diese zeigen auf, wie am Ende der Projektphase geprüft wird und welche Erwartungen an die Lernenden gestellt werden. Ebenso bestimmt die Lehrkraft innerhalb des Entwicklungsteams den Product Owner, der die Kommunikation mit der Lehrkraft übernimmt sowie den Scrum Master. Dieser achtet auf die Einhaltung der Scrum-Regeln innerhalb des eigenen Teams und moderiert die Meetings.

Die eigentliche Projektarbeit, in der Scrum-Terminologie als Sprints bezeichnet, beginnt mit dem Sprintplan-Meeting. Hier stimmt sich das Entwicklungsteam über die Arbeitsplanung ab. Die Schüler:innen zeigen auf, wie sie das Projekt realisieren und die Lernziele erreichen wollen. Gemeinsam werden eindeutige Zuständigkeiten zugewiesen und einzelnen Teilaufgaben festgelegt, die klar umrissen und terminiert sind. Bei der Anwendung von Scrum in der Schule bietet es sich an, die einzelnen Arbeitsphasen (Sprints) kurz zu halten, damit die Teilaufgaben bewältigbar bleiben. So kann ein Scrum beispielsweise aus sechs Sprints zu je drei Stunden bestehen. Die Ressourcen, die den Teilaufgaben zugewiesen werden, bestimmen die Lernenden selbst. Mittels Planning Poker, einem Set an Karten mit Zahlen von ½ bis 100, bewertet jedes Teammitglied für sich die Schwierigkeit der einzelnen Teilaufgaben. Je höher die gemeinsame Zahl ist, desto mehr Ressourcen und Zeit müssen die Schüler:innen dafür einplanen. Durch die individuelle Bewertung zeigen sich jedoch auch Stärken und Schwächen innerhalb des Teams. So ist die Person, die eine Teilaufgabe mit einer niedrigen Zahl bewertet, weil sie beispielsweise bereits Vorwissen einbringen kann, besser für die Bearbeitung geeignet als eine Person, die die Aufgabe mit der Vergabe einer hohen Zahl für sich als besonders komplex einordnet.

So entsteht Stück für Stück ein dynamischer Plan zur Umsetzung der Projektaufgaben, der jedoch in regelmäßigen Abständen – in Daily Stand-Ups und Sprint Reviews – überprüft und angepasst wird. Leitend dabei sind die drei W-Fragen:

• Was habe ich getan, um das Team beim Erreichen des Ziels zu unterstützen?
• Was werde ich tun, um das Team beim Erreichen des Ziels zu unterstützen?
• Welche Schwierigkeiten können den Weg behindern?

Diese Fragen verdeutlichen den Fortschritt und dienen gegebenenfalls der Anpassung der Arbeitsaufträge und Zuständigkeiten. In den Sprint-Phasen kann insbesondere ein Kanban-Board dabei helfen, Arbeitsprozesse und Aufgaben zu visualisieren und agil zu bearbeiten. Dafür bietet sich beispielsweise das DSGVO-konforme Tool CryptPad an, das bereits über ein Kanban-Board als Vorlage verfügt. Die von den Lernenden gemeinsam festgelegte „Definition of Done“ legt schließlich fest, wann sie ihr Projekt als fertig und erfolgreich abgeschlossen betrachten. Damit im gesamten Arbeitsprozess jedoch auch die Freude am gemeinsamen Projekt nicht zu kurz kommt, ist es sinnvoll, ebenso Leitlinien für Spaß („Definition of Fun“) an der Arbeit festzulegen. Diese können den Schüler:innen dabei helfen, in schwierigeren Phasen motiviert zu bleiben.

Deutlich wird, dass sich Scrum in der Schule insbesondere für Projektarbeit anbietet, bei der die Einzelleistung der Schüler:innen nicht im Vordergrund steht, sondern die Förderung von Zukunftskompetenzen. Regelmäßige Beobachtung der Arbeitsprozesse durch die Lehrkraft und das Einbeziehen des Endprodukts in einen individuellen Wissensnachweis stellen jedoch sicher, dass auch die Leistung der einzelnen Lernenden entsprechend wahrgenommen wird.