© Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft
Die Diskussion um Künstliche Intelligenz (KI) hat sich als Dauerbrenner im öffentlichen Diskurs festgesetzt. Ob in der Bildung, im öffentlichen bzw. unternehmerischen Sektor oder als Bestandteil von Software für private Nutzer:innen: Ständig neue Anwendungen befeuern die Debatte und lassen die revolutionären Potenziale von KI immer deutlicher hervortreten. Doch oftmals dominiert Halbwissen um die zugrundeliegende Technologie die Debatten, teils gepaart mit Erzählungen von KI als Allheilmittel für gegenwärtige Bedrohungen wie den Klimawandel. Das Gegenstück dazu bildet die kulturpessimistische Verteufelung von KI in Form von apokalyptischen Weltuntergangszenarien, in denen sich die Maschinen gegen ihre menschlichen Schöpfer:innen erheben. Reale Bedrohungen wie die Reproduktion von diskriminierenden Aussagen durch generative KI, aber auch ihre Problemlösungspotenziale rücken dabei öfter in den Hintergrund.
Um einen realistischen Blick auf Technologien, Software und Forschung zu ermöglichen, die sich hinter dem Sammelbegriff KI verbergen und das Bewusstsein für Möglichkeiten und Grenzen gegenwärtiger KI-Anwendungen zu schärfen, hat das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft im Rahmen des Projekts Künstliche Intelligenz, menschlich erklärt den KI-Kompass entwickelt. Das Kartenspiel versetzt die Spielenden in die Rolle von KI-Expert:innen, die Bürger:innen bei ihren Anfragen helfen sollen. Die Aufgabe dabei ist, herauszufinden, welche Probleme durch aktuell vorhandene KI-Systeme gelöst werden können und welche ohne menschliche Akteur:innen nicht lösbar sind. Der Fokus liegt dabei auf KI-Anwendung außerhalb des KI-Mainstreams. So finden sich zahlreiche kostenfreie oder auf Basis von Open Source entwickelte Programme auf den Spielkarten. Das Team von bildung.digital hat das Kartenspiel getestet und gibt Einblicke, wie gut die spielerische Vermittlung von KI-bezogenem Wissen funktioniert und ob dabei auch der Spielspaß nicht zu kurz kommt.
Regeln und Spielverlauf sind schnell erlernt
Das Spielprinzip rasch erfasst: alle Spieler:innen erhalten zu Beginn vier Karten mit zufälligen KI-Anwendungen. Dabei handelt es sich um real existierende Programme, die teils breite Anwendung finden können, oftmals aber zur Lösung spezifischer Probleme entwickelt wurden. Zusätzlich verfügen alle über je eine „Keine KI“-Karte, mit der signalisiert werden kann, dass für das aktuell zu lösende Problem eine nicht-KI-basierte Lösung besser geeignet ist.
Reihum werden Auftrags- bzw. Aktionskarten aufgedeckt, die bestimmte Reaktionen erfordern oder auslösen. Die Auftragskarten bilden dabei den Kern des Spiels und zeigen je eine:n Bürger:in, die mit einer Frage oder einem Anliegen auf die KI-Expert:innen zukommt. Da gibt es beispielsweise die Naturschützerin Bianca Bürger, die auf der Suche nach Ideen ist, um die Verschmutzung der Weltmeere zu verhindern. Oder João, der Besitzer eines Restaurants, der durch sein zunehmendes Alter Hilfe bei den täglichen Einkäufen benötigt. Dabei reicht die Bandbreite von klar abgesteckten Herausforderungen bis hin zu sehr offen formulierten Anfragen.
Die in den Auftragskartenstapel eingestreuten Aktionskarten hingegen simulieren zufällig auftretende Ereignisse wie einen Hackerangriff, der der aufdeckenden Person erlaubt, anderen Mitspieler:innen in die Karten zu schauen. Die Aktionskarten lockern den Spielverlauf deutlich auf und können das Blatt mit etwas Glück zu eigenen Gunsten drehen.
Reihum wird eine Auftragskarte aufgedeckt und die übrigen Spielenden erhalten die Möglichkeit, eigene Lösungsvorschläge zu unterbreiten, die auf einer KI-Karte von der eigenen Hand basieren. Über die Ideen wird gemeinsam diskutiert, die aufdeckende Person darf jedoch entscheiden, welcher Ansatz am überzeugendsten ist. Gewinnt der eigene Vorschlag, wird die KI-Karte offen vor sich gelegt, alle anderen Mitspieler:innen müssen ihre Karten wieder auf die Hand nehmen. Wer nach acht erfüllten Aufträgen die meisten KI-Karten vor sich liegen hat, gewinnt das Spiel.
Auf das richtige Blatt kommt es an
Während der Erfüllung der Aufträge kommt Kreativität, aber auch eine gehörige Portion Glück ins Spiel. Denn viele der ausspielbaren KI-Karten sind sehr spezifisch und auf die Lösung eines klar umrissenen Problems ausgerichtet. So lässt sich auch mit viel Ideenreichtum eine KI zur Erkennung von Vögeln im Umfeld von Windkraftanlagen kaum einsetzen, um ein Frühlingsgedicht für den Englischunterricht verfassen oder um einer gehörlosen Person bei der Kommunikation zu helfen. Ist hingegen die passende KI auf der Hand, hat man leichtes Spiel und die kann andere Lösungsvorschläge zumeist ausstechen. Hat jedoch niemand eine einigermaßen passende KI und damit verbundene Lösungsidee parat, kommt der Spielfluss teilweise ins Stocken. Zwar verfügen alle Spielenden über eine „Keine KI“-Karte, mit der eine Lösung vorgeschlagen werden kann, die nicht auf KI basiert. Diese eignet sich jedoch nicht immer als überbrückende Antwort. Zwar sind manche KIs wie ChatGPT universeller einsetzbar, wenn das eigene Blatt aber nur Programme zur Lösung ganz bestimmter Probleme umfasst, diese jedoch nicht zufälligerweise in Form eines Auftrags abgefragt werden, kommt insbesondere für kompetitive Spielende schnell Frust auf. So war es einigen Kolleg:innen aus dem Team nur selten möglich, sinnvolle Lösungsvorschläge einzubringen, um damit auch ihre Chance auf den Sieg zu wahren.
Doch das eigentliche Ziel des KI-Kompass, die spielerische Annäherung an gegenwärtige KI-Systeme sowie das Kennenlernen ihrer Potenziale und Grenzen, wird in jedem Fall erreicht. Wenn auch nicht alle Spielenden in jeder Runde sinnvolle Vorschläge einbringen können, nehmen Sie dennoch an der Diskussion der eingebrachten Ideen teil und erhalten so rasch einen Begriff davon, welche Art von Herausforderungen mit maßgeschneiderten KI-gestützten Programmen gelöst werden können und wann andere Lösungen benötigt werden. Insgesamt handelt es sich beim KI-Kompass um ein kurzweiliges und lehrreiches Vergnügen, das zum Nachdenken über KI anregt.