© Tandem 9 (Provadis Partner für Bildung & Beratung GmbH — Paul-Ehrlich-Schule Frankfurt)
Im Interview berichten die Mitglieder des Tandems Provadis Partner für Bildung & Beratung GmbH — Paul-Ehrlich-Schule Frankfurt über eine gemeinsame Basisliteratur als Fundament einer erfolgreichen Ausbildung. Für die Paul-Ehrlich-Schule nahmen die Lehrkräfte Christina Schultheis und Alexander Rotthues, für Provadis die Ausbilder:innen Andrea Piller und Tobias Hahn teil.
In welchem Fachbereich ist Ihr Tandem aktiv?
Andrea Piller (AP): Wir bilden im naturwissenschaftlich-technischen Bereich aus; unser Tandem fokussiert auf unserer gemeinsamen Ausbildung der Biologielaborant:innen. Diese findet blockweise statt: Zwei Wochen Berufsschule und vier Wochen Betrieb im Wechsel.
Was motiviert Sie, sich im Themenfeld „Stärkung der Lernort-Kooperation mit digitalen Ansätzen“ zu engagieren?
Alexander Rotthues (AR): Als langjährige Partner:innen teilen wir die Begeisterung für den chemisch-biologischen Industriezweig. Viele Lehrende unserer Schule sind selbst Biotechnolog:innen und stehen weiterhin in Kontakt zur Industrie – mit der Kooperation können wir diese Verknüpfung weiter vertiefen.
Tobias Hahn (TH): Wir wollten die bestehende Kooperation von Betrieb und Schule noch enger verzahnen und an einem gemeinsamen roten Faden für die Ausbildung stricken. Auch aufgrund der Pandemie war die Digitalisierung das ideale Thema.
Wie lautete das Projektvorhaben, das sie zu Beginn formuliert haben?
AP: Um die Verknüpfung von Theorie und Praxis zu fördern, sollte eine gemeinsame Basisliteratur für angehende Biologielaborant:innen identifiziert und auf einer geschützten und browserbasierten Austauschplattform angeboten werden.
Wie kam es zu der Idee und was haben Sie sich davon versprochen?
AP: Gerade bei Biologielaborant:innen besteht anfangs ein sehr unterschiedlicher Wissensstand zwischen Realschüler:innen, Abiturient:innen und Studienabbrecher:innen – und es ist eine Herausforderung, jede und jeden auf dem jeweiligen Level abzuholen, die gleichen Lerninhalte zu vermitteln und passende Arbeitsaufträge zu geben. Das wird nun durch das gemeinsame Basiswerk erleichtert.
AR: Unsere Schule und Provadis liegen nur knapp 400 Meter Luftlinie auseinander, aber selbst diese Distanz kann groß sein, wenn man eine Partnerschaft nicht kontinuierlich pflegt. Wir wollten unsere Vorstellungen zum Rahmenlehrplan und zu gewünschten Inhalten neu „matchen“ und mit der digitalen Fachliteratur eine gemeinsame Basis schaffen. Langfristig vereinfacht sich dadurch die Prüfungsvorbereitung.
TH: Die Vertretenden von Schule und Betrieb kommen hauptsächlich an den gemeinsamen „Einschulungstagen“ sowie bei den IHK-Anschlussprüfungen zusammen. Das Projekt gab uns die Chance, unsere Partnerschaft auch für die Zeit zwischen dem erstem und dem letztem Ausbildungstag zu fördern.
Von welchen Erfolgen können Sie berichten?
AR: Wir sind nun besser auf besondere Situationen wie hohe Krankenstände oder auch pandemiebedingte Einschränkungen vorbereitet. Denn wir können uns digital abstimmen: Auf welchem Stand sind die Auszubildenden gerade? Wer sind Ansprechpartner für das jeweilige Fach? Wer macht was oder kann etwas von anderen übernehmen?
AR: Kontaktaufnahme und Absprachen sind einfacher geworden, auch im Fall eines personellen Wechsels. So profitieren nicht nur die Auszubildenden, sondern auch wir als Kooperationspartner.
TH: Mit der Online-Basisliteratur können die Auszubildenden die von beiden Seiten abgestimmten Inhalte individuell von jedem Lernort abrufen und bearbeiten. Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig das eigenverantwortliche Lernen ist und welche zentrale Funktion dabei die Digitalisierung hat.
AR: Wir verständigten uns schon zu Beginn des Projekts darauf, dass wir einen hohen Mehrwert für die Auszubildenden erzielen wollen – was man mit pressetauglichen Hochglanzprojekten allein nicht schafft. Die Plattform erfüllt ihren Zweck für alle Beteiligten. Wir sind stolz auf das, was wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit im Tandem organisiert?
AR: Wir sprechen uns regelmäßig ab – nicht erst an bestimmten Terminen, sondern kontinuierlich. Wir konnten trotz Corona einige Treffen in Präsenz umsetzen, ansonsten haben wir Kanäle wie Videokonferenzen, Telefonate und Mails genutzt. Auf Online-Plattformen können wir sowohl kooperativ als auch kollaborativ am gleichen Dokument arbeiten.
Gab es Hindernisse zu überwinden?
AP: Eine große Herausforderung war die Vertragsverhandlung mit dem Fachbuch-Verlag. Dessen Online-Lizenzen waren ursprünglich nur einmalig personengebunden zu vergeben und somit nach beendeter Ausbildungszeit nicht auf andere Auszubildenden übertragbar gewesen. Der Verlag hat reagiert und sein Angebot umgestellt, so dass es für eine betriebliche Ausbildung finanziell umsetzbar wird.
TH: Zu Beginn des Projektes standen andere digitalbasierte Ideen, wie z. B. eine gemeinsame Onlineplattform auf dem Prüfstand, auf die die Berufsschule und der Betrieb gemeinsam zugreifen und sich Dateien austauschen können. Hier merkten wir jedoch, dass die Auflagen des Datenschutzes einen „kurzen Dienstweg“ oftmals verlängert.
Was waren entscheidende Bedingungen, dass Sie gut zusammenarbeiten und das Projektvorhaben voranbringen konnten?
AR: Bei den Verhandlungen mit dem Verlag waren wir dank des Engagements von Provadis erfolgreich. Nicht nur in dieser Phase merkten wir, wie wichtig es ist, am Ball zu bleiben und sich nicht von technischen oder finanziellen Hürden abhalten zu lassen. Entscheidend für das gemeinsame Engagement ist das gegenseitige Vertrauen – und das soll bei den Auszubildenden auch so ankommen. Selbst wenn sie den Alltag manchmal als anstrengend empfinden, sollen sie merken, dass alle in ihrem Sinne zusammenarbeiten.
TH: Wenn bereits lange gut und vertraulich zusammenarbeitet wurde, entstehen die wünschenswerten, kurzen Wege. So haben wir während der Pandemie auch sehr spontan Lösungen für eine komplizierte Prüfungssituation im Labor gefunden.
Welche Rahmenbedingungen brauchen Projekte wie Ihres, um erfolgreich durch- und fortgeführt zu werden?
AP: Für solch ein Projekt muss extra Zeit eingeplant werden, die insbesondere während Corona ohnehin knapp ist. Zudem sollte man sich Gedanken über die Finanzierung des Angebots machen – bei uns fielen vor allem Lizenzkosten für die digitalen Bücher an.
TH: In unserem Fall konnten wir den finanziellen Beitrag für dieses Pilotprojekt übernehmen. Doch eine offizielle Förderung würde insbesondere Schulen und kleineren Betrieben, die nicht das notwendige Budget für ihre Projekte haben, sicherlich weiterhelfen.
Was können Sie anderen Berufsschulen oder Ausbildungsunternehmen für die Gestaltung der Lernort-Kooperation empfehlen?
AP: Bei Kooperationen sollte nicht zu lange überlegt werden, was im Weg stehen könnte oder wie viele Extra-Termine erforderlich wären. Auch kann es sein, dass Ideen am Ende nicht mehr ganz so groß sind, wie zu Beginn – aber das gemeinsame Engagement lohnt sich immer!
Wie geht es mit dem Projektvorhaben nach der Netzwerk-Teilnahme weiter?
AR: Wir werden den Erfolg unserer Plattform evaluieren, indem wir zum Beispiel schauen, ob die Auszubildenden die Themen wie gewünscht bearbeitet haben – das werden wir insbesondere bei den anstehenden Prüfungen sehen.
AP: Wir planen, die Online-Basisliteratur im nächsten Einstellungsjahr von Anfang an zur Verfügung zu stellen, so dass jede:r Auszubildende gleich darauf zugreifen kann. Außerdem hoffen wir, das Angebot noch weiter ausbauen zu können.
Wie bewerten Sie rückblickend Ihre Teilnahme am Projekt und an den Veranstaltungen von #HESSENbildung.digital?
TH: Es war eine Herausforderung, dass die Netzwerk-Termine nur an einem bestimmten Tag und gleichzeitig recht lange waren. So konnte manchmal nur eine Person aus unserem Team teilnehmen, da hauptberufliche Ausbilder:innen und Lehrer:innen oftmals durch Bereuung der Auszubildenden-Gruppen bzw. -Klassen gebunden waren. Diese hat die Ergebnisse dann aber im Nachgang mit allen Partner:innen geteilt.
AP: Die Netzwerktreffen haben die Arbeit der Tandems bereichert und uns neue Tools, neue Ideen und Schwerpunkte, aber auch frische Motivation zur Weiterarbeit mitgegeben.
Christian Schultheis (CS): Im Austausch mit anderen Tandems konnten wir erfahren, wo potenzielle Schwierigkeiten liegen, wie andere Partner:innen diese gelöst haben und welche Tipps sie uns geben. Trotz des extra Zeitaufwands habe ich all unsere gemeinsamen Termine und die Netzwerktreffen nie als Belastung, sondern sehr gerne wahrgenommen. Es waren immer nette Runden.
TH: Die Organisator:innen und Moderator:innen haben die Netzwerktreffen so gestaltet, dass sie immer einen Mehrwert für die Projektarbeit geboten haben und allen Beteiligten neuen Schwung und Motivation mitgegeben haben.