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Im Interview berichten die Mitglieder des Tandems Merck KGaA — Heinrich-Emanuel-Merck-Schule Darmstadt vom gestärkten Vertrauen durch die vertiefte Kooperation. Für die Heinrich-Emanuel-Merck-Schule nahm der Lehrer Matthias Urban, für Merck der Ausbilder Sebastian Schaub teil.
In welchem Fachbereich ist Ihr Tandem aktiv?
Sebastian Schaub (SeS): Das aktuelle Projekt bezieht sich auf eine technische Ausbildung, das Berufsfeld der Elektrotechnik.
Was motiviert Sie, sich im Themenfeld „Stärkung der Lernort-Kooperation mit digitalen Ansätzen“ zu engagieren?
SeS: Wir haben das Projekt zum Anlass genommen, unsere Zusammenarbeit transparenter und zeitgemäßer zu gestalten. Dass wir die Digitalisierung vorangetrieben haben, liegt natürlich auch an der Pandemie – denn Vor-Ort-Treffen waren für uns auf einmal nicht mehr möglich.
Matthias Urban (MU): Im Rahmen der Lernortkooperation wollten wir unsere bestehende Zusammenarbeit mit Merck intensivieren und auch bestehende Projekte nach außen darstellen. Das motiviert im Idealfall auch andere Unternehmen zu einer Kooperation mit unserer Schule.
Wie lautete das Projektvorhaben, das sie zu Beginn formuliert haben?
SeS: Für den Ausbildungsberuf Elektroniker:in für Betriebstechnik sollte eine digitale Plattform für den Austausch zwischen Schule und Betrieb etabliert oder selbst entwickelt werden. Ein digitales Klassenzimmer sollte Inhalte für Prüfungen besser zugänglich machen.
Was haben Sie sich davon versprochen?
SeS: Bisher fand immer alles in Präsenz statt. Wir wollen erreichen, dass man trotzdem individuell auf bestimmte Inhalte oder Projektdaten zugreifen, sich untereinander austauschen und weiterarbeiten kann, auch wenn ein Betrieb keine Besucher empfangen kann oder darf. Dann sind auch Pandemie- oder Krankheitsphasen für die jungen Leute keine verlorene Zeit.
MU: Die fünfwöchigen Praxisprojekte mitsamt der finalen Präsentation der Ergebnisse sind ein wichtiger Teil der Ausbildung. Hier haben Auszubildende die Gelegenheit, gemeinsam zu tüfteln, kleine Programme zu schreiben und Steuerungen oder Modelle zu bauen. Weil solche Projekte in Zeiten wie Corona vor Ort in den Betrieben nicht möglich sind, sollen weite Teile davon auf eine digitale Ebene gehoben werden.
Wie würde solch ein fünfwöchiges Projekt im Rahmen der Ausbildung aussehen?
SeS: Auszubildenden erhalten beispielsweise die Aufgabe, das Modell einer Waschstraße zu bauen. Dann besichtigen sie in „normalen Zeiten“ zunächst eine echte Anlage im Betrieb, um danach in kleinen Gruppen Projektpläne zu erstellen, zu bauen, zu programmieren und alles abschließend zu präsentieren. In Zukunft könnte fast alles davon – sowohl die Besichtigung, als auch die Absprachen untereinander, der Dokumentenaustausch und die Präsentation mithilfe von Filmen – digital stattfinden. Nur zum Schrauben und Bauen müsste man noch vor Ort sein.
Gibt es konkrete Erfolge oder Herausforderungen, von denen Sie erzählen können?
SeS: Wir haben den Schüler:innen die entsprechenden Geräte zur Verfügung gestellt und sie zum mobilen Arbeiten und zum digitalen Austausch motiviert. So konnten sie aktiv in die Ausbildung „hineinschnuppern“. Viele zeigten sich froh darüber, dass sie Projekte auch digital durchführen können – auch wenn „live“ natürlich immer noch am besten ist.
MU: Wegen der strengen Besucher- und Kontaktregelungen während der Pandemie konnten wir nicht so viel umsetzen, wie geplant und mussten unser Konzept umstellen. Zudem gab es einen personellen Wechsel seitens der Schule, so dass ich erst in einer späteren Projektphase dazugekommen bin.
Was sind (möglicherweise auch unerwartete) positive Wirkungen des Projekts?
SeS: Das Vertrauensverhältnis und die Zusammenarbeit haben sich verbessert, aus formellen Abläufen sind kurze Dienstwege entstanden, was uns in Zukunft auch viel Arbeit ersparen wird. Zudem profitieren die Auszubildenden, wenn wir in besonderen Zeiten wie Corona digital besser aufgestellt sind als vorher.
MU: Wir haben gemerkt, dass die Offenheit und das gegenseitige Vertrauen gewachsen sind, das ist zwischen Schulen und Betrieben nicht immer selbstverständlich.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit im Tandem organisiert?
MU: Da wir nur zu zweit am Tandem beteiligt sind, können wir spontan und direkt über Teams oder Mail in Kontakt treten.
SeS: Herr Urban und ich kennen uns seit fast 20 Jahren und arbeiten schon sehr lange zusammen. Wir stehen also ohnehin im ständigen Austausch und unterstützen uns gegenseitig.
Was waren entscheidende Bedingungen, dass Sie gut zusammenarbeiten und das Projektvorhaben voranbringen konnten?
MU: Wir haben in der Vergangenheit schon viele Projekte gemeinsam umgesetzt und jedes Jahr bauen wir auf dem auf, was wir bereits erreicht haben. Bedenken, dass unsere Zusammenarbeit während der Pandemie „einschläft“, konnten wir mithilfe des Projekts widerlegen. Wir bleiben trotz Unterbrechungen am Ball und gehen neue Aufgaben gemeinsam an.
Wie geht es mit dem Projektvorhaben nach der Netzwerk-Teilnahme weiter?
SeS: Wir werden weiterhin auf den digitalen Austausch setzen und diesen intensivieren.
Welche Rahmenbedingungen brauchen Projekte wie Ihres, um erfolgreich durch- und fortgeführt zu werden?
MU: Spezielle Ausbildungsphasen wie diese müssten noch expliziter durch den Rahmenlehrplan abgedeckt werden. Bis dahin sind solche zeitintensiven Projekte abhängig von der aktiven Unterstützung der Schulleitungen und Ausbildungsverantwortlichen der Betriebe. Insbesondere die Firmen müssen schließlich auch die finanziellen Mittel aufbringen, um Projektteilnehmende unentgeltlich aufzunehmen und fachlich zu betreuen.
SeS: Wir planen jedes Jahr einen Zeitraum und ein Budget für dieses Projekt ein. Damit wir dieses Projekt mit der Schule durchführen können.
Was können Sie anderen Berufsschulen/Ausbildungsunternehmen für die Gestaltung der Lernort-Kooperation empfehlen?
MU: Es ist wichtig, dass die Projekte unabhängig von bestimmten Personen in der Firma oder in der Schule sind, so dass diese auch bei personellen Veränderungen oder besonderen Situationen wie Corona weiter laufen. Diese personelle Unabhängigkeit herzustellen, ist unser Ziel auch für das aktuelle Projekt.
SeS: Wichtig ist es, einen offenen Umfang zwischen Lehrenden und Ausbildenden zu pflegen, so dass man Probleme besser angehen kann. Wenn mein Partner also sagt, ‚ich habe heute etwas Wichtigeres auf dem Tisch‘, dann ist das für mich in Ordnung, weil ich generell Vertrauen in die Zusammenarbeit habe.
Wie bewerten Sie rückblickend Ihre Teilnahme an den Veranstaltungen und am Projekt #HESSENbildung.digital?
MU: Die Netzwerktreffen hatten eine gute Balance zwischen Input und Erfahrungsaustausch. Insgesamt denke ich aber, dass es schwer zu realisieren ist, für die Treffen einen kompletten Tag aus dem normalen Schulbetrieb ‚auszusteigen‘. So etwas geht nur, wenn auch die Schulleitung dahinter steht.
SeS: Die Webinare und die Netzwerktreffen waren abwechslungsreich, lehrreich und motivierend – davon werden wir sicher noch einiges umsetzen. Aber leider bleibt an solchen Tagen dann tatsächlich auch viel Arbeit liegen. Vielleicht wäre es besser, die Netzwerktreffen aus diesem Grund auf zwei halbe Tage aufzuteilen.