© Tandem 6 (InfraServ GmbH & Co. Wiesbaden KG — Kerschensteiner Schule Wiesbaden)
Im Interview berichten die Mitglieder des Tandems InfraServ GmbH & Co. Wiesbaden KG — Kerschensteiner Schule Wiesbaden von smarten Geräten und Zukunftsplänen. Für die Kerschensteiner Schule nahm der Lehrer Dr. Daniel Röhnert, für InfraServ der Ausbilder Peter Kunze teil.
In welchem Fachbereich ist Ihr Tandem aktiv?
Dr. Daniel Röhnert (DR): Unsere Schule hat einen naturwissenschaftlichen Schwerpunkt. Das Digitalisierungsprojekt bezieht sich hauptsächlich auf unsere Ausbildung der Chemikant:innen. Hier arbeiten wir mit unterschiedlichen Betrieben zusammen, aber die Firma InfraServ organisiert die größten Teile der Ausbildung. Der Wechsel zwischen Schule und Betrieb erfolgt wöchentlich: Meistens sind die Schüler:innen ein- bis zweimal in der Woche in der Schule und den Rest der Zeit im Betrieb.
Peter Kunze (PK): Als Teamleiter im InfraServ-Lehrtechnikum bin ich für die Auszubildenden zuständig, wir organisieren die Ausbildung in den Produktionsberufen der Chemie.
Was motiviert Sie, sich im Themenfeld „Stärkung der Lernort-Kooperation mit digitalen Ansätzen“ zu engagieren?
DR: Bei unserer langjährigen Zusammenarbeit gibt es bestimmte Themen, wie die Prüfungen oder den Lernstand der Auszubildenden, die wir schon immer gemeinsam besprechen. Das Projekt gab uns die Chance, über dieses übliche „Soll“ hinauszugehen und uns noch mehr Gedanken über unsere Ausbildung und die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung zu machen. Im Vergleich zum Tagesgeschäft erhielten wir so mehr Raum für neue Ideen und Veränderungen.
PK: Hinzu kam die Pandemie zu Beginn des Projekts, so dass unser schon vorher geäußerter Wunsch – nämlich uns digital noch enger zu verzahnen und noch mehr gemeinsame Berührungspunkte zu finden – auf einmal konkret wurde.
Wie lautete das Projektvorhaben, das Sie zu Beginn formuliert haben? Und wie kam es zu dieser Idee?
DR: Der Plan war, im Zusammenhang mit dem EDV-Unterricht der Chemikant:innen gemeinsame Schnittmengen für das datengestützte Lehren und Lernen zu finden. Bei den Auszubildenden in diesem Fachbereich kann man nicht immer automatisch davon ausgehen, dass alle die digitalen Möglichkeiten bereits kennen und nutzen. Dies wollten wir fördern.
PK: Insgesamt sind aus diesem Vorhaben vier Einzelprojekte entstanden, die zwar nicht unbedingt im Zusammenhang miteinander stehen, uns aber dennoch weiter- und zusammengebracht haben.
Von welchen Erfolgen können Sie berichten?
PK: Um bei den Auszubildenden unterschiedliche Herangehensweisen oder Unsicherheiten bei mit der Arbeit mit Taschenrechnern abzubauen, haben wir in einem ersten Projekt zunächst alle Schüler:innen mit „smarten“ Geräten ausgestattet. Für diese Taschenrechner richteten wir einen gemeinsamen Standard und eine spezielle Emulationssoftware ein. Dies gab den Lehrenden die Möglichkeit, Schulungsinhalte direkt auf einen Beamer zu projizieren. Zudem können wir so sicher gehen, dass alle Azubis die gleichen Taschenrechner nutzen.
DR: In weiteren Teilprojekt haben wir unseren Partnerbetrieb in einer Software geschult, mithilfe derer wir in der Schule verfahrenstechnische Prozesse mithilfe von Fließbildern darstellen und evaluieren.
Ein drittes Projekt soll den Datentransfer aus betrieblichen Experimenten in die Schule ermöglichen, so dass die Auszubildenden die in der Firma generierten Daten auch bei uns nutzen können.
Außerdem arbeiten wir gerade an einem vierten Projekt: Gemeinsame Schulungen zum Thema Brand- und Explosionsschutz. Hier sollen Azubis selbst ihr Wissen an andere Schüler:innen weitergeben. Wir sehen dies als probaten Weg, das Gelernte zu verinnerlichen.
Welche Hindernisse gab es zu überwinden und welche Lösungen haben Sie dafür gefunden?
PK: Wir mussten uns vor allem mit Datenschutzbestimmungen, Lizenzen und Genehmigungen auseinandersetzen. Glücklicherweise hat das bei dem Taschenrechner-Projekt und bei den Schulungen letztendlich gut geklappt. Beim dritten Projekt, dem Datentransfer vom Betrieb zur Schule, sind noch nicht alle Hindernisse aus dem Weg geräumt.
DR: Auf beiden Seiten müssen die Beteiligten zeitliche Ressourcen für das Projekt einplanen, die Vorteile für den Betrieb oder die Schule sind jedoch nicht gleich allen ersichtlich – schließlich erzeugen wir keine kurzfristigen Produktionssteigerungen oder Ähnliches. Die Erfolge unseres Projektes sind eher mittel- und langfristig erkennbar und lassen sich nicht mit Zahlen darstellen – das macht es manchmal schwierig, Außenstehenden den Nutzen aufzuzeigen.
Wie sind Sie mit dem Prozess und den Ergebnissen im Nachhinein zufrieden?
DR: Im Rahmen des Projekts haben wir noch einmal viel Neues über die betrieblichen Abläufe und Rahmenbedingungen der jeweils anderen Seite erfahren. Wir können jetzt noch besser verstehen, wie unsere Partner im Alltag arbeiten und welchen Spannungsfeldern diese manchmal ausgesetzt sind. In diesem gegenseitigen Verständnis sehe ich einen besonderen Erfolg.
Was waren entscheidende Bedingungen, dass Sie gut zusammenarbeiten konnten?
DR: Eine gute Zusammenarbeit zwischen Betrieb und Schule braucht Zeit und muss erst aufgebaut werden, man sollte sich gegenseitig nicht als „Fremde“ betrachten, sondern offen sein und sich kennen lernen. Dank unserer langjährigen Partnerschaft hatten wir diese Voraussetzungen schon erfüllt. Die jungen Leute profitieren am meisten, wenn beide Seiten an einem Strang ziehen und sich Zeit füreinander nehmen.
PK: Wir arbeiten schon immer sehr eng zusammen und betrachten uns nicht als Konkurrenten. Dazu gehört auch, mögliche Probleme gemeinsam aus dem Weg zu räumen.
Wie geht es mit dem Projektvorhaben nach der Netzwerk-Teilnahme weiter?
DR: Die Taschenrechner können im Einsatz bleiben, die Weiterführung der anderen Projekten ist wegen Lizenzfragen und der technischer Ausstattung noch nicht gesichert – aber generell wollen wir natürlich alles beibehalten.
PK: Insbesondere das vierte Projekt, die gemeinsame Schulung zum Brand- und Explosionsschutz steht noch an. Nach ihrer ersten Prüfung können die Schüler in Eigenverantwortung entsprechende Experimente bei uns im Industriepark durchführen, Betrieb und Schule kümmern sich um entsprechende Rahmenbedingungen. Hier können wir auch andere Ausbildungsberufe mit einbeziehen – schließlich müssen potenzielle Gefahren in allen Fachbereichen bekannt sein.
Welche Rahmenbedingungen brauchen Projekte wie Ihres, um erfolgreich durch- und fortgeführt zu werden?
DK: Wir haben die Aufgabe, unsere Schüler:innen im Rahmen der Ausbildungsverordnung zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Dem kommen wir natürlich nach – aber angesichts der vielen Inhalte, die wir in einer bestimmten Zeit vermitteln müssen, bleibt eigentlich kein „Leerlauf“ für Extra-Projekte außerhalb des Unterrichts. Hier fehlt etwas mehr Spielraum.
Inwiefern hat sich das Projekt auf Ihre Zusammenarbeit ausgewirkt?
DR: Unser Kooperationsmodell sieht generell einen kontinuierlichen Austausch mit Ausbilder:innen vor. Weil wir auch mit InfraServ schon lange vertrauensvoll und offen zusammenarbeiten, brauchten wir keine neuen Kommunikationswege etablieren oder Ressentiments abbauen.
PK: Unser Kontakt ist sehr gut, so dass wir uns nicht nur bei Prüfungen und bestimmten Projekten absprechen, sondern beispielsweise auch gemeinsam auf Klassenfahrt gehen. Dennoch haben wir in der Anfangszeit des Projekts noch einige festen Termine vereinbart, um gemeinsam die richtige Richtung zu finden. Danach verlief die Kommunikation aber relativ spontan.
Was können Sie anderen Berufsschulen oder Ausbildungsunternehmen für die Gestaltung der Lernort-Kooperation empfehlen?
DR: Eine vernünftige Kooperation bedeutet, sich füreinander Zeit zu nehmen, regelmäßig vor Ort präsent zu sein und so zu zeigen, dass man das duale System unterstützt. Indem wir offensichtlich im Austausch miteinander stehen, erkennen die Auszubildenden, dass beide Seiten zusammenarbeiten.
PK: Es geht darum, dass nicht jeder nur für sich arbeitet, sondern dass beide Seiten aufeinander zugehen, sich Zeit für Gespräche nehmen und sich eng verzahnen – und dass das auch so bei den Azubis sichtbar wird. Deshalb sind wir beispielsweise auch bei der Zeugnisausgabe selbstverständlich dabei.
Wie bewerten Sie rückblickend Ihre Teilnahme an #HESSENbildung.digital?
DR: Mir fiel bei den Netzwerktreffen auf, wie stark zwischen den verschiedenen Berufen in der Chemie unterschieden werden muss. Die Ausbildung in der Produktion ist nicht mit jener im Labor vergleichbar – entsprechend sind manche Tools aus den gemeinsamen Webinaren, wie beispielsweise zur Projektarbeit, auch nicht in der Produktion vorstellbar. Dennoch war es interessant zu sehen, welche Möglichkeiten es gibt, um eine Kooperation zu fördern.
PK: Bei den Treffen konnte man sehen, dass alle Tandems mit unterschiedlichen Interessenslagen und Voraussetzungen ihrer Azubis zu tun hatten.
DR: Dank der regelmäßigen Netzwerktreffen, Webinare und E-Mails wurden wir kontinuierlich daran erinnert, dass da ein Projekt am Laufen ist. Insbesondere in den Zeiten, in denen wir durch das Tagesgeschäft abgelenkt waren, war dies sehr hilfreich.
PK: Die ständige Erinnerung an das Projekt war und ist gut – man schaut dann ja auch zurück und sieht, was man erreicht hat. Auch wenn es teilweise anstrengend war, werde ich im Nachhinein sicherlich einiges vermissen.