© Tandem 5 (HEWI Heinrich Wilke GmbH — Berufliche Schulen in Korbach und Bad Arolsen)
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Im Interview berichten die Mitglieder des Tandems HEWI Heinrich Wilke GmbH — Berufliche Schulen in Korbach und Bad Arolsen von ihren Rollen als Lernbegleiter:in und Coach. Für die beruflichen Schulen nahm Abteilungsleiterin Inga Meskauskas, für HEWI die Recruitering Michele Klimek und der Ausbilder Daniel Wilke teil.
In welchem Fachbereich ist Ihr Tandem aktiv?
Michele Klimek (MK): Die Kooperation konzentriert sich auf die Industriekaufleute. Die Ausbildung ist unterschiedlich gegliedert, unsere angehenden Industriekaufleute sind ein bis zwei Tage in der Berufsschule und den Rest der Woche im Betrieb.
Inga Meskauskas (IM): An unserer Schule werden insgesamt ca. 2.500 Schüler:innen in vollzeitschulischen Bildungsgängen sowie in fast 50 unterschiedlichen Ausbildungsberufen ausgebildet. Wir haben in dem Projekt zunächst die Kooperation in dem Ausbildungsberuf Industriekaufmann/-frau vertieft.
Was motiviert Sie, sich im Themenfeld „Stärkung der Lernort-Kooperation mit digitalen Ansätzen“ zu engagieren?
IM: Digitalisierung und die Nutzung digitaler Medien sind ein wesentlicher Bestandteil der dualen Ausbildung. Digitale Lernprozesse eröffnen Möglichkeiten für eine individuellere Förderung der Schüler:innen. Sowohl dieser Aspekt als auch die Kooperation zwischen Schule und Betrieb, an dem die Schüler:innen erleben, dass wir als Partner der dualen Ausbildung an einem Strang ziehen, ist motivierend für diese und kann sich dadurch positiv auf den Lernerfolg auswirken.
MK: Da die Schule bereits recht digital „unterwegs“ war und Plattformen wie Moodle nutzt, wollten wir nicht nur die Digitalisierung an sich zum Thema machen. Vielmehr liegt der Schwerpunkt auf der Förderung individueller Lernprozesse.
Wie lautete das zu Beginn formulierte Projektvorhaben und was haben Sie sich davon versprochen?
MK: Das Projektvorhaben lautete: „Verknüpfung von betrieblicher Praxis und schulischen Lerninhalten durch Einbindung digitaler Medien“. Dieses Kernprojekt haben wir in mehreren Teilprojekten umgesetzt.
IM: Beispielsweise mit dem Teilprojekt „Förderung der digitalen Kompetenzen der Schüler:innen“ oder auch durch die Gestaltung von E-Learning-Arrangements. Durch die sinnvolle Mediennutzung im Unterricht wollen wir das selbstgesteuerte und kollaborative Arbeiten unterstützen. Die Schüler:innen sollen mit- und voneinander lernen.
Gibt es konkrete Erfolge, von denen Sie erzählen können?
IM: Die Auszubildenden haben digitale Erklärvideos erstellt, dafür mussten sie sich nicht nur fachlich mit einem Thema auseinandersetzen, sondern die Inhalte auch strukturieren und die richtigen Fachbegriffe visualisieren. Diesem Teilprojekt lag der Ansatz „Lernen durch Lehren“ zugrunde. In der medialen Umsetzung konnten die Schüler:innen kreativ sein, was motivationsfördernd war. Die erstellten Videos können andere Schüler:innen wiederum zum Lernen nutzen. Darüber hinaus haben wir unterschiedliche digitale Lernarrangements getestet, um die gewonnenen Erkenntnisse bei der Gestaltung unserer Moodle-Kurse berücksichtigen zu können.
MK: Wir haben gemeinsam mit Lehrkräften eine konkrete Lernsituation für angehende Industriekaufleute gestaltet und einen Produktentwicklungsprozess dargestellt. Hinzu kamen ein Expertenvortrag sowie eine Expert:innenjury, welche den Schüler:innen Feedback zu ihren Vorträgen gegeben hat. So konnten wir das reale Leben stärker in den Unterricht einbringen.
IM: Die Azubis sind gut in unsere Projektarbeit integriert worden und haben strukturiert Feedback zu mehreren Teilprojekten gegeben.
MK: Der Praxisbezug in Form von z. B. Videos oder auch die Expertenjury sind wichtig, damit die jungen Leute trotz mehrstündigem Online-Unterricht, wie zu Pandemiezeiten, auch am Ball bleiben.
Wie geht es mit dem Projektvorhaben nach der Netzwerk-Teilnahme weiter?
IM: Ein letztes geplantes Teilprojekt steht noch aus, nämlich unsere gemeinsamen Coachinggespräche mit den Schüler:innen. Damit schließt sich dann der Kreis unseres Tandem-Projekts: ausgehend von der gemeinsamen Überlegung zu digitalen Kompetenzen und der nachfolgenden Umsetzung verschiedener Maßnahmen coachen wir jetzt die Schüler:innen hinsichtlich ihres Kompetenzerwerbs.
MK: Die Auszubildenden erhalten im Betrieb schon immer Rückmeldung zu ihren Arbeiten, aber in Zukunft wollen wir diese zusammen mit der Schule geben. Idealerweise können wir dafür eine gemeinsame Plattform nutzen, von welcher aus eine Art E-Portfolio für jeden Auszubildenden abrufbar ist. Wenn dies funktioniert, können wir das Projekt um weitere Themen ergänzen.
IM: Perspektivisch sollten Schule und Betrieb über die gesamte Ausbildungszeit hinweg auf dieses E-Portfolio mit den Lernfortschritten zugreifen können. Doch bisher können Kooperationspartner:innen dafür nicht auf unsere Schulplattform, das Schulportal Hessen, zugreifen.
Mit welchen Hindernissen hatte Ihr Tandem zu tun?
IM: Aus datenschutzrechtlichen Gründen arbeiten wir ausschließlich mit dem Schulportal Hessen. Hierauf können aber die Ausbilder:innen von HEWI nicht zugreifen. Derartige Zugriffsmöglichkeiten auf bestimmte Inhalte würden wir uns unbedingt wünschen.
MK: Wir brauchen andere Rahmenbedingungen und eine Plattform, auf die beide Seiten zugreifen können.
Wie sind Sie mit dem Prozess im Nachhinein zufrieden?
IM: Die Schüler:innen kamen in der offenen Lernumgebung gut zurecht. Zudem konnten wir unsere Haltung zu Lernprozessen und zur Rolle der Lehrkräfte untermauern. Statt frontal zu unterrichten, bieten wir Lernräume an und eröffnen den Schüler:innen Möglichkeiten zum selbstgesteuerten Lernen. Über ein solches Verständnis von Lehren und Lernen muss man sich mit allen Beteiligten der dualen Ausbildung austauschen. Dies ist uns mit HEWI sehr gut gelungen. Über Informationsveranstaltungen konnten wir zudem auch die Schüler:innen und Ausbilder:innen weiterer Ausbildungsbetriebe in diese Prozesse mit einbeziehen.
Michele Klimek: Die Rolle der Lehrenden und Ausbilder:innen hat sich geändert, wir verstehen uns als Lernbegleitende und Coaches, die Azubis sollen selbst mitdenken und verstehen. Deren Lernerfolge sind im Zuge unseres Projektes besser geworden. Deshalb sind auch wir sehr zufrieden mit dem Ergebnis und mit der Zusammenarbeit.
Welche Rahmenbedingungen brauchen Projekte wie Ihres, um erfolgreich durch- und fortgeführt zu werden?
IM: Von zentraler Bedeutung ist eine stabil funktionierende Technik. Corona hat uns insofern einen digitalen Entwicklungsschub gegeben, dass der Landkreis uns im Zuge der Pandemie noch besser ausgestattet hat. Sozusagen passend zum Projektstart wurde auch an unserem Außenstandort, an dem wir die Industriekaufleute beschulen, ein stabiles Schüler:innen-WLAN eingerichtet. Dennoch bleibt an dieser Stelle ein wesentlicher Punkt ungelöst: Wie können auch Betriebe in das System des Schulportal Hessens eingebunden werden?
MK: Ein gemeinsames Schulportal würde die Zusammenarbeit von Betrieben und Schulen sehr vereinfachen. Denn so könnten wir uns permanent austauschen und die Betriebe erfahren nicht erst mit dem Zeugnis über den Lernerfolg eines Schülers oder einer Schülerin. In Sachen Digitalisierung und Bildung brauchen wir noch mehr organisatorische und finanzielle Unterstützung durch das Land. Schließlich müssen alle den digitalen Wandel mitgehen.
IM: Wünschenswert wären auch mehr zeitliche Ressourcen für die Kooperation von Lehrkräften und Ausbilder:innen. Für eine derart eng abgestimmte Zusammenarbeit, bei der das komplette Lehrkräfteteam eines Ausbildungsberufs eingebunden ist, gemeinsame Zeitfenster im laufenden Schulbetrieb zu finden, ist häufig gar nicht einfach.
MK: Eine betrieblich-schulische Zusammenarbeit wäre sicherlich einfacher zu organisieren, wenn man wüsste, zu welchen festen Uhrzeiten Lehrkräfte sich bestimmten Projekten widmen können.
Wie kam es, dass Sie ein Tandem wurden?
MK: Wir wollten unsere bestehende, gute und langjährige Zusammenarbeit mit den Beruflichen Schulen intensivieren und haben diese nach der Information durch den Arbeitgeberverband direkt angefragt.
IM: Über die Anfrage haben wir uns sehr gefreut, denn dass die betriebliche Seite eine so enge Kooperation mit Schulen ermöglicht, ist keine Selbstverständlichkeit. Insofern haben wir uns sehr gerne an dem Projekt beteiligt.
Wie haben Sie Ihre Zusammenarbeit organisiert?
IM: Als Lehrkräfte hatten wir mit Frau Klimek, Herrn Wilke und Frau Bernhard immer zuverlässige Ansprechpartner:innen im Betrieb. Alle Beteiligten nahmen sich die Zeit, um möglichst geschlossen an den Netzwerktreffen sowie unseren digitalen Arbeitstreffen teilzunehmen. Außerdem haben wir die Aufgaben und Ressourcen zielgerichtet aufgeteilt. All das waren wichtige Gelingensfaktoren.
MK: Trotz der vollen Terminkalender haben wir uns regelmäßig digital getroffen, auch wenn es schade ist, dass wir uns nicht „live“ sehen konnten.
Inwiefern hat sich das Projekt auf Ihre Zusammenarbeit ausgewirkt?
MK: Da die Aufgabenpakte gut verteilt waren und auch unterschiedliche Meinungen sowie Diskussionen möglich waren, empfand ich unsere Kooperation als sehr ausgeglichen. Der regelmäßige Austausch und die festen Termine haben diese Zusammenarbeit noch intensiviert.
IM: Durch die intensive Auseinandersetzung haben wir ein besseres Verständnis für die Organisation der Ausbildung an den unterschiedlichen Lernorten, aber auch die Grenzen des jeweils anderen Partners der dualen Ausbildung erhalten. Für uns war es immer spannend zu sehen, wie der Betrieb an eine bestimmte Sache bei der Ausbildung herangeht.
Was wollen Sie auch in Zukunft beibehalten?
IM: Wir führen die Lernortkooperation weiter fort und berichten uns nach wie vor gegenseitig über aktuelle Vorhaben. Hierfür wollen wir ein kollaboratives Tools nutzen. Ausbildungsbetriebe sollten sich immer über den Lernerfolg der Schüler:innen informieren können.
Was können Sie anderen Berufsschulen und Ausbildungsunternehmen für die Gestaltung der Lernort-Kooperation empfehlen?
MK: Man sollte den Stellenwert der dualen Ausbildung nicht unterschätzen: Im Vergleich zum Studium hat man hier nämlich beides – Schule und Praxis. Zudem gilt es, immer offen zu bleiben für neue Ideen und Ansätze.
IM: Es ist wichtig, die Vernetzung, den Austausch und die Kollaboration zu pflegen sowie auch eine entsprechende Haltung zu leben und zu fördern.
Wie bewerten Sie rückblickend Ihre Teilnahme an den Treffen und am Projekt #HESSENbildung.digital?
IM: Die Netzwerktreffen waren gut organisiert, wir konnten uns durch die frühzeitige Information auch gut vorbereiten. Viele Vorträge, für mich persönlich insbesondere die Keynote „Didaktik 4.0“ und zahlreiche weitere Webinare waren sehr spannend und inspirierend. Wir nehmen vor allem mit, dass die Digitalisierung dialogisches Lernen mit sich bringt.
MK: Vielleicht wäre es einfacher gewesen, wenn man für eine Veranstaltung zwei Termine zur Auswahl gehabt hätte, so dass man interessante Themen nicht aus Zeitgründen verpasst. Aber ansonsten bin ich sehr zufrieden mit der Projektteilnahme, auch Rückfragen wurden immer schnell beantwortet.
IM: Ich habe mich im Projektverlauf des Öfteren mit der Frage beschäftigt, was wir aus dem Projekt mitnehmen. Ich für meinen Teil möchte die Frage mit folgendem Bild beantworten: In Schule und Ausbildung wollen wir die jungen Menschen fit für die Zukunft machen. Dafür sind wir stets auf der Suche nach den bestmöglichen Wegen, Wissen aufzubauen sowie Kompetenzen und Werte zu vermitteln. Das ist wie die Suche „nach dem heiligen Gral“. Mit diesem Projekt sind wir auf dieser Suche wieder ein paar wichtige Schritte vorangekommen und konnten viele kleine Brücken schlagen.