© Tandem 4 (Fresenius Se & Co.KGaA — Feldbergschule Oberursel)
Im Interview berichten die Mitglieder des Tandems Fresenius Se & Co.KGaA — Feldbergschule Oberursel vom erfolgreichen Aufbau der gemeinsamen E-Learning-Plattform. Für die Feldbergschule Oberursel nahm die Lehrerin Andrea Rüffer, für Fresenius Se & Co.KGaA die Ausbilder:innen Stefanie Gulden und Jürgen Muthig.
In welchem fachlichen Schwerpunkt engagiert ist Ihr Tandem aktiv?
Andrea Rüffer (AR): Unsere Lernortkooperation bezieht sich auf den Ausbildungsgang der Industriekaufleute. Die Schüler:innen sind blockweise bei uns und bei Fresenius, immer im gleichen Rhythmus zwischen vier und neun Wochen.
Was motiviert Sie, sich im Themenfeld „Stärkung der Lernort-Kooperation mit digitalen Ansätzen“ zu engagieren?
Stefanie Gulden (SG): Unser Betrieb und die Schule kooperieren schon seit langem, wir hatten sogar schon einmal an einer gemeinsamen Lernplattform gearbeitet, was aber im Sande verlaufen war. Das aktuelle Projekt bot einen guten Anlass, uns noch einmal über die Möglichkeiten auszutauschen.
AR: Das digitale Lernen nimmt generell einen immer höheren Stellenwert ein, gleichzeitig ist unsere Schule noch nicht perfekt ausgestattet, auch wenn die offiziellen Maßnahmen rund um Corona einen ordentlichen Schub gegeben haben. Uns hat interessiert, was noch alles möglich ist.
Jürgen Muthig (JM): Wir waren schon vor über zehn Jahren gemeinsam recht innovativ unterwegs und wollten ein Computerlern-Programm (E-Learning) entwickeln, dass den Auszubildenden das Lernen in der Schule, im Betrieb und zuhause ermöglicht. Die Idee kam damals aber wohl zu früh, denn wir konnten noch nicht webbasiert arbeiten und sind bei der Nutzung des E-Learnings an IT-Problemen, sowohl in den Ausbildungsbetrieben als auch in der Schule, gescheitert. Gemeinsam mit der Feldbergschule konnten wir im Rahmen des Projektes einen neuen Anlauf starten.
Wie lautete das Projektvorhaben, das Sie zu Beginn formuliert haben?
JM: Wir wollten digitale Medien und insbesondere eine digitale Lernplattform für die Vermittlung kaufmännischer Ausbildungsinhalte einführen. Dabei haben wir in einer frühen Projektphase gemerkt, dass uns die Lösungen von professionellen Anbietern entweder mit zu vielen Funktionen „erschlagen“ oder nicht zu unseren Anforderungen an eine Lernplattform gepasst haben. Daher haben wir uns entschieden, im Rahmen des Projektes gemeinsam mit der Schule eine eigene Plattform zu entwickeln. Eine Lösung, die das bietet, was wir brauchen.
Was haben Sie sich davon versprochen?
AR: Wir wollten eine flexible digitale Plattform entwickeln, die nicht nur von den Industriekaufleuten, sondern auch von den Auszubildenden der anderen Berufe an unserer Schule genutzt werden kann. Übersichtlich gegliedert, so dass die Schüler:innen das für sich Passende leicht heraussuchen können.
JM: Die Lösung sollte keine „eierlegende Wollmilchsau“ sein, sondern zu den individuellen Bedürfnissen der Lehrenden, Schüler:innen und Ausbilder:innen passen. Mit nicht zu viel und nicht zu wenig Funktionen. So kamen wir dazu, dass wir uns gegen Lösungen von professionellen Anbietern entschieden haben, denn diese sind oft recht unflexibel und mit hohen Lizenzkosten verbunden. Wir wollten keine Vorgaben von externen Anbietern erhalten, sondern die Plattform selbst gestalten und pflegen.
Von welchen Erfolgen können Sie erzählen?
JM: Mit einem Lehrer der Feldbergschule, Holger Menzel, hatten wir glücklicherweise einen Entwickler in unserem Tandem. So konnten wir selbst eine eigene Lernplattform entwerfen. Hinsichtlich der Inhalte und des Layouts war einiges an Abstimmungsarbeit nötig, aber dafür konnten beide Seiten inhaltlich etwas beisteuern.
AR: Die Schüler:innen mit IT-Schwerpunkten nutzen die Plattform bereits, andere Teilbereiche sind noch im Aufbau und werden gerade mit Content gefüllt. Bald sollen auch die Auszubildenden anderer Fächer die Plattform nutzen und direkt auf der Startseite ihr Lernthema auswählen können. Dazu gehören beispielsweise BWL, VWL oder bestimmte Office-Anwendungen.
Gab es bei der Projektarbeit Hindernisse zu überwinden?
SG: Ich glaube, wir hatten mit weniger Hindernissen zu kämpfen, als andere Tandems. Schließlich waren wir in der komfortablen Situation, einen IT-ler im Team zu haben, der die Plattform vorbereiten konnte. Ohne einen professionellen Anbieter waren wir auch hinsichtlich Datenschutz, Berechtigungen und Lizenzen weniger eingeschränkt.
JM: Es war auch keine finanzielle Investition nötig. Wenn wir erst eine große Summe hätten aufbringen müssen, hätte das Projekt bestimmt nicht so schnell geklappt.
SG: Unsere Herausforderung bestand eher darin, dass alle Beteiligten auch im Alltag stark eingebunden waren und sich nicht immer die gewünschte Zeit nehmen konnten. Ich beschreibe unser gemeinsames Engagement gerne mit Wellen – regelmäßige feste Termine haben uns immer wieder dazu gebracht, am Projekt weiterzuarbeiten
Wie sind Sie im Nachhinein mit dem Prozess und den Ergebnissen zufrieden?
JM: Wir haben alle etwas beisteuern können und eine Plattform geschaffen, die lebt. Auch die Schüler:innen können über eine Kommentarfunktion ihr Feedback abgeben und uns so mitteilen, was ihnen gut und was nicht so gut gefällt. So sehen wir auch, dass sie die Plattform nutzen und damit arbeiten können. Daher sind wir mit dem Ergebnis zufrieden.
Welche Rahmenbedingungen brauchen Projekte wie Ihres, um erfolgreich durch- und fortgeführt zu werden?
JM: Aus Unternehmenssicht ist es von Vorteil, dass wir nicht auf unsere betriebsinterne IT zurückgreifen mussten. Hätten Externe auf Daten von Mitarbeitende und Auszubildende zugreifen können, wäre das Projekt im Hinblick auf Datenschutz und Persönlichkeitsrechte wesentlich komplizierter geworden. So konnten wir den Schulserver nutzen, wo bereits alle Schüler:innen im IT-System angelegt waren und im Tandem vergleichsweise schnell produktiv werden.
Wie geht es mit dem Projektvorhaben nach der Netzwerk-Teilnahme weiter?
AR: Wir werden weitere Inhalte einpflegen und uns als Nächstes an die Aufgabe machen, weitere Kolleg:innen für die Plattform zu gewinnen, die ebenfalls daran mitarbeiten.
SG: Die Plattform soll aktuell bleiben und auch in Zukunft genutzt werden. Deshalb werden wir weiter daran arbeiten, auch wenn es keine oder weniger feste Projekttermine geben wird. Wir wollen sowohl die Inhalte als auch unseren Austausch lebendig halten.
JM: Um dran zu bleiben, werden wir ein bis zwei feste Termine im Jahr brauchen, um weiter gemeinsam auf die Plattform zu schauen und uns gegenseitig zum Weitermachen zu motivieren.
Wie haben Sie sich organisiert und wie beurteilen Sie im Nachhinein die Zusammenarbeit im Tandem?
AR: Da wir schon lange gut zusammenarbeiten, die gleichen Vorstellungen hatten und sowohl die Schule als auch der Betrieb eigene Wünsche und Vorstellungen einbringen konnten, war die Kooperation im Projekt sehr harmonisch.
JM: Wir haben uns immer wieder verbindliche Meilensteine gesetzt und diese gemeinsam abgearbeitet. Da alle Tandempartner:innen Autorenrechte fürs Pflegen des Contents auf der Lernplattform besitzen und die Lernplattform gleichzeitig auch unsere gemeinsame Arbeitsplattform war, konnten alle parallel daran arbeiten und Inhalte einpflegen. Bei jedem Treffen haben wir uns gemeinsam die Änderungen angeschaut und uns neue Ziele und Termine gesetzt.
SG: Durch die virtuelle Zusammenarbeit an der Plattform oder die Videokonferenzen war es auch nicht von Nachteil, dass wir uns wegen Corona nicht persönlich treffen konnten. Auch die Online-Einführung in das Autorensystem durch Herrn Menzel hat sehr gut funktioniert.
AR: Ich denke, dass die Corona-Situation auch einiges vereinfacht hat – schließlich mussten wir dank der Videokonferenzen nicht so viel Zeit und Fahrten für die Meetings einplanen.
Hat sich Ihre Zusammenarbeit durch das Projekt verändert?
JM: Die intensivere Zusammenarbeit hat mir persönlich die Seite der Berufsschule noch nähergebracht. Ich kann nun die Arbeitsweise und so manche Schwierigkeit der Schule besser verstehen. Das ist eine interessante und wertvolle Erfahrung.
Haben Sie eine Empfehlung für andere Berufsschulen oder Ausbildungsunternehmen für die Gestaltung der Lernort-Kooperation?
JM: Es hat sich gezeigt, dass eine Kooperation auch ohne persönliche Treffen gut funktionieren und digital umgesetzt werden kann, wenn ein gemeinsames Interesse vorhanden ist. Dabei ist es wichtig, realistisch zu bleiben, pragmatische Lösungen zu suchen, nicht nur zu diskutieren und einfach mal loszulegen.
Wie bewerten Sie rückblickend Ihre Teilnahme an #HESSENbildung.digital?
JM: Vor zweieinhalb Jahren hätte ich mir noch nicht vorstellen können, dass ein solches Projekt komplett virtuell durchgeführt werden kann, aber alle Meetingformate unseres Tandems und des Programms #HESSENbildung.digital haben gut funktioniert. Die Netzwerkarbeit und die Treffen waren durch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung sehr gut vorbereitet, wir konnten uns auf eine regelmäßige Taktung und eine proaktive Steuerung verlassen. Ein Kick-Off-Meeting in Präsenz wäre nett gewesen, aber es hat ja auch so wunderbar geklappt.
Wird Ihnen etwas besonders in Erinnerung bleiben?
JM: Es hat mich auf den Netzwerktreffen immer wieder beeindruckt, wie viele engagierte Lehrer:innen es gibt. Ähnlich wie Herr Menzel haben viele eine starke Eigeninitiative entwickelt und Außergewöhnliches geleistet. Dieses große Engagement der Schulen und auch der Ausbildungsbetriebe in den Tandems wird mir positiv in Erinnerung bleiben.