Mit dem niedrigschwelligen Zugang zur KI-Software ChatGPT im November 2022 ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) und Large Language Models (LLM) auch in vielen Schulen ein unausweichliches Thema. Mit der Nutzung im Schulkontext stehen nicht nur die lernförderlichen Potenziale im Raum. Zu vielen Fragestellungen, wie der sinnvollen Nutzungsbeschränkung, dem Urheberrecht, ethischen Vorbehalten und dem Datenschutz scheinen noch keine zufriedenstellenden Antworten und Lösungen vorzuliegen. Aber eins steht fest: Die neue Technologie ist in der Welt und wird auch die Bildungspraxis verändern.
Erste Bundesländer erleichtern die Nutzung im Schulkontext
Erste Handlungsgeländer zum Einsatz generativer KI-Systeme bieten die Leitlinien einiger Bundesländer, wie z.B. dem Handlungsleitfaden des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen. Zudem ermöglichen einzelne Bundesländer Schulen einen datenschutzkonformen Zugang zu ChatGPT (z.B. Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz).
Einsatz von ChatGPT aus Sicht der Bildungsforschung
Mit der Veröffentlichung des „Impulspapiers der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK)“ am 17. Januar 2024 liegt nun auch die Perspektive der Bildungsforschung vor. Das unabhängige Wissenschaftsgremium berät die Ständige Konferenz der Kultusminister:innen der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) und hatte zuletzt im Dezember 2023 ein umfangreiches Gutachten zur Lehrkräftebildung vorgelegt. Mit der jüngsten Veröffentlichung gibt die SWK Anregungen, wie LLM zukünftig in Schulen genutzt werden können und welche Voraussetzungen – auch auf bildungspolitischer und wissenschaftlicher Ebene - dafür notwendig sind.
Ableitungen für einen kompetenten Einsatz von ChatGPT in der Schule
Was genau lässt sich daraus für die konkrete Schulpraxis ableiten? Hier sind die wesentlichsten Eckpunkte zusammengefasst:
- Einladung zum Ausprobieren: Wenn die Voraussetzungen eines rechtssicheren Zugangs geschaffen sind, kann die neue Technologie systematisch bei offener Fehlerkultur in enger Zusammenarbeit von Praxis und Wissenschaft erprobt werden.
- Zugang erleichtern: Alle Lernenden und Lehrenden sollten einen kostengünstigen oder kostenfreien Zugang auf KI-Systeme haben.
- Wissen erweitern: Wie auch unser Pilotprojekt mit schulKI zeigt, braucht es für einen lernförderlichen und kompetenten Einsatz von LLM, wie ChatGPT, eine professionelle Begleitung. Neben technologiebezogenem Wissen braucht es vor allem mediendidaktische Kompetenzen zum treffsicheren fachdidaktischen Einsatz und quellenkritischen Umgang. Der generelle Fortbildungsbedarf zu digitalen Anwendungen wird daher um LLM-Tools erweitert.
- Adäquater Einsatz nach Bildungsetappen: Der Einsatz von LLM wird frühstens ab der Sekundarstufe empfohlen, da basale Schreib- und Lesekompetenzen und ein breites Fachwissen für die verantwortungsvolle und kritische Nutzung vorausgesetzt werden müssen. Die Erstellung und Überarbeitung von Texten soll zunehmend unter Einbeziehung von LLM-Tools erfolgen aber die hilfsmittelfreie Textarbeit nicht ersetzen.
- Anpassung der Prüfungskultur: SWK spricht sich für prozessorientierte Prüfungsformate aus, in denen neben hilfsmittelfreien Formaten auch der koaktive Einsatz von LLM als Lernziel geübt und geprüft werden sollte. Inhaltlich kann hier insbesondere das sogenannte Prompting, d.h. die Eingabe zielgerichteter Anweisungen und komplexer Aufgabenstellungen, thematisiert werden. Auch bei der Bewertung können KI-basierte Tools Lehrpersonen unterstützen, aber keinesfalls ersetzen.
- Potenzial für individuelle Förderung nutzen: Die Weiterentwicklung und Nutzung KI-basierter Ansätze für die Erstellung adaptiver Unterrichtskonzepte zur individuellen Förderung und Binnendifferenzierung wird empfohlen, da ihre Lernwirksamkeit bereits belegt werden konnte. So können beispielsweise spezifische Anfragen, sogenanntes Prompt-Tuning, passgenau auf Altersgruppen, Vorkenntnisse oder Interessen angepasst werden.
Die Bildungsforschung möchte damit Schulen ermutigen, neue Technologien im Rahmen einer Kultur des Ausprobierens zu nutzen – sie zu verbieten hält sie dagegen weder für angemessen noch für realistisch. Schüler:innen sind oft experimentierfreudiger als Erwachsene. Diese Haltung kann für ein gemeinsames Entdecken der neuen Werkzeuge nutzbar gemacht werden.