Wie ticken Jugendliche? – Digitale Medien im Schulalltag

Die Studien-Reihe „Wie ticken Jugendliche?” bietet bereits zum fünften Mal einen aktuellen und lebendigen Einblick in die Lebenswelten der 14- bis 17-Jährigen. Sie liefert Antworten auf die Fragen: Wie leben und erleben Jugendliche ihren Alltag? Wie optimistisch blicken sie in die Zukunft? An welchen Werten orientieren sie sich?

Ein besonderer Themenschwerpunkt 2024 liegt auf der Perspektive von Schüler:innen auf den Einsatz digitaler Medien im Schulalltag.

Die große Mehrheit der befragten Jugendlichen steht der Verwendung digitaler Medien im Schulkontext sehr offen gegenüber. Unabhängig von der besuchten Schulform nutzen viele digitale Medien: Lern-Apps für Sprachen, Deutsch und Mathe und Web-Tutorials zur Vertiefung oder zum Nachholen von Themen, die im Unterricht nicht verstanden wurden. Nur eine Minderheit ist der Meinung, dass die Qualität des Unterrichts durch die Digitalisierung leidet und man analog besser den Überblick behält.

Zugleich zeigt sich ein sehr heterogenes Bild der deutschen Schullandschaft und an vielen Schulen gibt es bei der Digitalisierung noch Nachholbedarf. Etwa ein Drittel der Befragten berichtet von einem weitgehend selbstverständlichen Umgang mit digitalen Medien im Unterricht. Das kann zum Beispiel die umfassende Nutzung von Tablets sein, die den Schülern teils auch von der Schule zur Verfügung gestellt werden, oder die aktive Nutzung von Schulportalen zum Austausch von Unterrichtsinhalten. Auch die regelmäßige Einbindung unterschiedlicher Programme oder Lern-Apps in den Unterricht ist keine Seltenheit. 

„In der Schule gibt es sehr viele Verfechter des Papiers, die irgendwie weiterhin daran festhalten, einem in der Stunde acht Blätter auf den Tisch legen, nur Text, und das landet dann im Hefter oder im Müll. Man kann sich [Tablets] leihen, aber irgendwie funktioniert es dann doch nicht.“  (divers, 16 Jahre, Expeditive)

Ein Drittel der Jugendlichen berichtet, dass digitale Medien nur sporadisch eingesetzt werden, wobei das Arbeiten mit Büchern, Papier und Stift dominiert. Zwar nutzen viele Lehrkräfte PowerPoint und Smartboard oder Beamer, iPads für Schüler:innen kommen jedoch nur selten und nur für spezifische Aufgaben zum Einsatz. Sie werden dann meist als Klassensatz ausgeteilt und nach der Stunde wieder eingesammelt. Digitale Bildung findet vorwiegend im PC-Raum statt, wo vereinzelte Online-Rechercheaufgaben durchgeführt werden, oder durch gelegentliche Einbindung von YouTube-Lernvideos zur Illustration.

Bei einem weiteren Drittel der Befragten beschränkt sich die Digitalisierung auf das digitale Klassenbuch und die Nutzung der Schulplattform für organisatorische Fragen (Stunden- und Ausfallpläne, Abmeldung vom Unterricht etc.). Obgleich auch hier Lehrkräfte teilweise den Einsatz digitaler Medien am Smartboard vornehmen, findet eine aktive Nutzung digitaler Medien im Unterricht nicht statt.

„Wir haben eine App, wo man den Stundenplan sieht, aber mehr nicht. Wir gehen manchmal in den Computerraum, aber nur für PowerPoint oder um was zu googeln.“  (weiblich, 16 Jahre, Konsum-Materialisten) 

Bei der Betrachtung von Hauptschule, Realschule oder Gymnasium sticht heraus, dass gerade die Digitalisierung in den Gymnasien vor allem von den Schüler:innen , die sich privat ein Endgerät zugelegt haben, vorangetrieben zu werden scheint. Auch scheint sich der Großteil der Gymnasiast*innen ihre digitalen Kompetenzen autodidaktisch erworben zu haben.

Die Gründe für die unterschiedliche Digitalisierung liegen den jungen Menschen zufolge zum einen bei der Schulleitung und der Lehrerschaft. Lehrer:innen sind unterschiedlich aufgeschlossen, iPads im Unterricht als Alternativ zu Papier und Stift zuzulassen, digitale Medien selbst in den Unterricht einzubauen und die Schüler aktiv an deren Nutzung heranzuführen. Zum anderen liegt es an der unterschiedlich guten technischen Ausstattung der Schulen. So scheint es beispielsweise bei der Verfügbarkeit und beim Zugang zu Leihgeräten für Schüler:innen, die sich privat kein iPad / Tablet leisten können, große Unterschiede zwischen den Schulen zu geben. Zudem wird immer wieder von Problemen und Restriktionen bei der Nutzung des Schul-WLANs berichtet. So müssen manche Schüler:innen für Recherchen und andere Unterrichtsaufgaben ihre eigene Handy-Flatrate belasten. Oder der Austausch von Dokumenten ist nur über bestimmte Betriebssysteme möglich.

„Ich arbeite mit einem [privaten] iPad in der Schule (…). In meiner Stufe haben wahrscheinlich 80 % ein iPad. Aber wir kriegen trotzdem nicht das Schul-WLAN. […] Wenn man was recherchieren muss, dürfen wir es halt auf dem Handy machen. Da haben wir eine selbstbezahlte Flat, nicht von der Schule.“ (weiblich, 16 Jahre, Neo-Ökologische)

Balkendiagramm zur digitalen Kompetenz von Lehrkräften nach Schulform

Da die Restriktionen für die Digitalisierung weniger bei den Schüler:innen als bei der Schule bzw. deren digitaler Infrastruktur liegen, verwundert es auch nicht, dass entlang individueller Faktoren wie Lebensweltzugehörigkeit oder Migrationshintergrund nur wenig Unterschiede sichtbar werden. Was sich jedoch andeutet: Je weniger Anstoß und Ermöglichungsstrukturen von der Schule kommen, desto stärker fallen individuelle Voraussetzungen wie der Zugang zu technischen Geräten, die persönliche digitale Affinität oder digitale Kompetenzen im sozialen Umfeld ins Gewicht.

Dieses Bild des digital abgehängten Gymnasiums setzt sich auch bei der Betrachtung der Digitalen Kompetenzen der Lehrkräfte fort.

In der Befragung wurden die Jugendlichen gebeten, die Digitalkompetenz ihrer Lehrkörper mit einer Schulnote zu bewerten. Die Noten fallen sehr gemischt aus, sowohl zwischen den Schulen als auch zwischen den Lehrer:innen einer Schule. Die Jugendlichen bewerten die digitale Kompetenz ihrer Lehrer hauptsächlich anhand deren Umgangs mit verfügbaren technischen Geräten im Unterricht, wie iPads, Laptops, Smartboards oder Beamern. Dabei werden, unabhängig vom Schultyp, jüngere Lehrer:innen und Referendar:innen tendenziell als digital affiner und technisch kompetenter erlebt als ihre älteren Kolleg:innen. Bewertungsunterschiede zwischen den drei Schultypen lassen sich damit erklären, dass das digitale Kompetenzgefälle zwischen Lehrenden und Schüler:innen möglicherweise von der Hauptschule bis zum Gymnasium real abnimmt. Vor allem Befragte aus Gymnasien fühlen sich ihren Lehrern teilweise digital überlegen. Auch vermitteln die Aussagen den Eindruck, dass Lehrer*innen in Hauptschulen digitale Medien stärker in den Unterricht einbinden bzw. für das Lernen zuhause empfehlen als dies in Gymnasien der Fall ist.

Einige Jugendliche bemerken leichte Verbesserungen in den letzten Jahren. Jedoch schätzen sich viele Befragte digital kompetenter ein als ihre Lehrer:innen. Oft wird von Situationen berichtet, in denen sie diesen bei der Behebung technischer Probleme helfen müssen. Dabei berichten v.a. Jugendliche aus Gymnasien und Realschulen, dass ihnen die Ablehnung technischer Neuerungen durch einzelne Lehrer:innen auffällt. Wenn es um die Digitalisierung des Unterrichts geht, erleben sie zumindest einen Teil ihrer Lehrer als lernunwillig, oder schätzen diese gar als lernunfähig ein. 

„Manche Lehrer (…) meinen, es sei nicht nötig, sich noch mit digitalen Medien auseinanderzusetzen, weil, wenn sie das bräuchten, sind sie eh schon in Rente.“ (divers, 15 Jahre, Neo-Ökologische)