Den Kern der Netzwerkstruktur im Programm bildung.digital bilden die Schulteams, die beständig in der gleichen Besetzung zu regelmäßigen Netzwerktreffen zusammenkommen. Diese personelle Kontinuität führt zu Verbindlichkeit und Verantwortungsgefühl sowie zu einer Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit im Blick auf den kollegialen Austausch. Die Vertreterinnen und Vertreter der Schulen sind die Expertinnen und Experten, sie definieren gemeinsam ihre Ziele und gestalten ihren Weg dorthin. Darüber hinaus tragen sie die Verantwortung für die Entwicklung des Schulvorhabens in der Zeit zwischen den Netzwerktreffen und dafür, weitere Beteiligte an ihrer Schule einzubeziehen – das Kollegium, weitere pädagogische Mitarbeitende, die Schülerinnen und Schüler, Eltern und Kooperationspartner. Im Netzwerk berichten sie über ihre Erfahrungen, erhalten fachliche Orientierung und kollegiales Feedback, um die nächsten Entwicklungsschritte zu gehen. Zu Beginn der Netzwerkphase wählt jedes Schulteam eine Partnerschule, mit der es zwischen den Netzwerktreffen intensiver zusammenarbeitet. Einen Aspekt dieser bilateralen Tandemarbeit bilden gegenseitige Schulbesuche, an denen möglichst nicht nur die Mitglieder des Netzwerkes, sondern auch noch weitere Beteiligte der Schulen teilnehmen sollten, wie zum Beispiel Schülerinnen und Schüler.
Erfahrungen von Schultandems der ersten Netzwerkphase
Wie die Zusammenarbeit mit Partnerschulen in bildung.digital in der Praxis funktioniert hat, beantworten uns Teilnehmende der ersten Netzwerkphase in den folgenden Fragen. Dabei haben das Regiomontanus Gymnasium Haßfurt und die Freiherr-vom-Stein-Schule Hessisch Lichtenau ein Tandem gebildet.
Wie haben Sie sich mit Ihrer Tandemschule zusammengefunden?
Katrin Hiernickel, Regiomontanus Gymnasium Haßfurt: Auf dem ersten Netzwerktreffen in Berlin haben wir schnell herausgefunden, dass unsere beiden Schulen schon viele Jahre Erfahrung mit der Digitalisierung hinter sich hatten, sodass unsere Fragestellungen und Probleme, mit denen wir ins Netzwerk gegangen sind, ähnlich waren.
Erik Meyfarth, Freiherr-vom-Stein-Schule Hessisch Lichtenau: Schon beim ersten Treffen in Berlin stellten beide Schulen ziemlich schnell fest, dass unsere Vorstellungen von digitalem Unterricht als auch der bisher schon erzielte Fortschritt gut zueinander passten. Darüber hinaus waren wir uns auch sofort menschlich zugetan, die Chemie stimmte, so dass wir „unsere“ Partnerschule sehr schnell gefunden hatten.
Frank Berend, Struensee Gymnasium Hamburg: Auf einem Netzwerktreffen wurden die Tandemschulen zusammengestellt. Mit den Kolleginnen und Kollegen in Straubing hatten wir uns aber bereits zuvor ausgetauscht und schnell gemerkt, dass beide Schulen bezüglich der Projektvorhaben im Bereich der Digitalisierung gut zusammenpassen.
Matthias Hansche, Bardoschule Fulda: Bei den Vorstellungen der einzelnen Projektvorhaben zeichneten sich eine Reihe von Parallelen ab, die bereits in dieser Phase zu einem regen Austausch führten. Herangehensweise, das gemeinsame kreative Potenzial und Sympathien führten dann zur logischen Folge der Tandembildung.
Welche Gemeinsamkeiten haben Sie mit Ihrer Tandemschule gefunden – und wo lagen die größten Unterschiede?
Hiernickel: Die Digitalisierung an der Schule so voranzubringen, dass wir möglichst alle Kollegen mitnehmen, aber insbesondere auch für Schüler das Lernen optimieren, war unsere größte Gemeinsamkeit. Hinzu kam das Interesse für die laufenden Projekte der jeweils anderen Schule. Dies war aber auch zugleich ein großer Unterschied, denn die Etablierung eines eigenen Schulfachs „Medien“ wie am Hessischen Gymnasium wäre in Bayern nie möglich, da die Eigenverantwortung der bayerischen Schulen anders geregelt ist. In der finanziellen Ausstattung und damit Unterstützung digitaler Projekte lagen eigentlich die größten Unterschiede. Gemeinsam war uns auch noch der Pioniergeist, mit dem wir das Projekt digitales Lernen im Ganztag voranbringen wollten.
Meyfarth: Sowohl die Schule in Haßfurt als auch wir waren mit unserem Projekt zum digitalen Unterricht schon weit fortgeschritten („Medienfach CoMeT“ bei uns und „Unterricht mit eigenen Wikis“ bei den Regiomontanus-Leuten aus Haßfurt. Die beiden Projekte waren für den anderen sehr interessant, so dass sich sehr schnell ein reger Austausch ergab. „Wie habt ihr das denn gemacht?“, „Das hört sich aber interessant an.“
Sehr große Unterschiede zeigten sich jedoch bei Art und Umfang der Unterstützung durch den Schulträger.
Berend: Eine große Gemeinsamkeit der beiden Tandemschulen lag in der Gemeinsamkeit des Projektvorhabens. Beide Schulen haben das Ziel: „Selbständiges Lernen durch digitale Medien zu Unterstützen.“ Beide Schulen haben auch (teilweise) einen gebundenen Ganztag. Unterschiedlich sind die schulbehördlichen Voraussetzungen in Bayern und Hamburg für die Anschaffung von digitaler Hardware.
Hansche: Als Gemeinsamkeiten gab es ähnliche Ziele auf dem Weg der Digitalisierung. Zudem gab es ähnliche Problematiken und Strukturen bei der Ausstattung und der Arbeit mit den Schülern der Schulform.
Als größten Unterschied empfand ich die an unserer Tandemschule bemerkenswert ausgebildeten Formen zur Schaffung eines guten Lernklimas mit hohem Konsens in der Schulgemeinde, aber auch die damit verbundenen deutlich besseren personellen Ressourcen einer Schule dieser Schulform.
Was waren für Sie besonders spannende oder gewinnbringende Erkenntnisse im Austausch über Ländergrenzen hinweg?
Hiernickel: Je weniger finanzielle Mittel und Ausstattung den Schulen vergönnt war, desto engagierter lösten die Kollegen zum Teil die auftretenden Probleme. Dieser große Einfallsreichtum und Mut, um bürokratische Hürden und finanzielle Grenzen zu überschreiten, flößte Respekt ein. Zudem war der Blick über den Tellerrand auch in vielen Gesprächen außerhalb des Kernthemas ein wichtiges Ergebnis. Wie sind Schulen anderswo organisiert, wie werden sie verwaltet, welcher Geist herrscht in den unterschiedlichen Bildungssystemen und Schularten. Dies alles waren spannende Fragen mit noch spannenderen Antworten.
Meyfarth: In der alltäglichen Arbeit hat man schnell das Gefühl des „Einzelkämpfers“, weil oft der Austausch mit Gleichgesinnten fehlt. Gerade im Bereich der digitalen Bildung „werkeln“ Schulen meistens allein vor sich hin, die Bildungsministerien und Schulträger sind bei der Umsetzung von digitaler Bildung nicht gerade die Schnellsten. Das Arbeiten in diesem Bereich ist deswegen oft sehr frei, was positive aber auch negative Seiten hat. Das durch das Projekt bildung.digital initiierte Zusammenarbeiten von allen Einzelkämpfern ist einer der ganz großen Pluspunkte. Dieser „Blick über den Tellerrand“ ist sehr wertvoll und gibt in sich fest gefahren anfühlenden Situationen wieder ganz neue Lösungsansätze und Motivation.
Berend: In der Projektplanung konnten wir vor allem von der Erfahrung der Partnerschule profitieren. Diese setzt schon seit einigen Jahren Tabletkoffer in bestimmten Klassen ein. Von der Anschaffung, der Installation, der Pflege bis hin zum sinnvollen Einsatz im Unterricht haben wir wertvolle Tipps erhalten. Darüber hinaus ist es immer wieder gewinnbringend zu sehen, welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede es bei Gymnasien in anderen Bundesländern gibt. Für die Arbeit bei uns vor Ort ist dies ein wichtiger Impuls.
Hansche: Obwohl andere Bundesländer unterschiedlich die sich stellenden Aufgaben angehen und regeln, bleiben diese im Kerngeschäft gleich. Es ergeben sich teilweise zunächst andere Herangehensweisen. Lösungsansätze können insgesamt aber durchaus in weiten Teilen als übertragbar gelten.
Wie und woran haben Sie mit Ihrer Tandemschule zusammengearbeitet? Wie haben Sie von der Zusammenarbeit profitiert?
Hiernickel: Die Einführung eines eigenen Wikis an unserer Partnerschule – wie wir am Regiomontanus-Gymnasium das schon seit vielen Jahren haben und die wir unterstützen konnten. Zudem gab es einen stetigen Austausch über funktionierende Systeme, die beste Technik und den Erfolg des digitalen Lernens. Durch Diskussion, Beantworten von Fragen und Hilfestellung kommt man selber viel stärker dazu, das tägliche Tun zu reflektieren und muss sich auch kritische Fragen stellen.
Meyfarth: Regiomontanus arbeitet umfangreich mit selbst erstellten Wikis. Diese Unterrichtsform ist fantastisch, weil sie alle Bereiche digitalen Arbeitens abdeckt. Die Schüler arbeiten selbstständig, kooperativ, kumulativ und produktorientiert. Diese Fähigkeiten sind im beruflichen Bereich höchst nachgefragt und werden dadurch wunderbar geschult. Unser Projekt in Hessisch Lichtenau ist das Medienfach CoMeT, in dem wir unseren Schülern in einem eigenen Fach alles beibringen, was heute von den jungen Menschen erwartet wird zu beherrschen, irgendwo verteilt in den (hessischen) Lehrplänen steht, so aber nur schwerlich sinnvoll unterrichtet werden kann. Durch bildung.digital kamen wir auf die Idee, die Haßfurter Wikis in unser CoMet einzubauen. Gesagt, getan, wir „wiki-en“ inzwischen fleißig mit und arbeiten über das Ende unseres Netzwerkes hinaus mit unseren Freunden aus Haßfurt zusammen.
Berend: Thema an beiden Schulen ist die Einführung von iPads im Unterricht. Wir haben uns einerseits ausgetauscht über die Anwendungsmöglichkeiten unterschiedlicher Apps und die Gestaltung von Unterricht mit digitalen Geräten; andererseits ging es auch um die Organisation in diesem Zusammenhang, beispielsweise die Frage, wie die Geräte administriert werden können. Wir haben ganz klar gegenseitig profitiert von den Erfahrungen, die an der jeweils anderen Schule gemacht wurden. Dadurch konnten an beiden Schulen Implementierungsphasen
verkürzt werden.
Hansche: Aufbau, Absprache, Abgleich, Erarbeitungen zu Strukturablaufplänen im Bereich Medienscouts/Smartagents und BYOD, Erprobung und Austausch zu Erfahrungen aus dem Unterricht mit digitalen Medien sowie Erarbeitung von Problemlösungsmöglichkeiten und Abänderung zur möglichen Implementierung einzelner Bausteine des Tandempartners in den eigenen Unterrichtsalltag (z.B. Präsenzmentorkonzept).
Die gemeinsame Ausarbeitung und die gegenseitige Begleitung und Reflexion der ähnlichen Vorhaben führten zu einem unglaublich kreativen Prozess an beiden Schulen. Wir haben konkret einige Bausteine und Anregungen zur Verbesserung des Schulklimas aus dem Alltag unserer Tandemschule modifizieren und in unseren Schulalltag einbinden können.
Haben Sie an Ihrer Tandemschule hospitiert – oder andersherum? Wenn ja, wie lief die Hospitation ab, was hat sich daraus ergeben?
Hiernickel: Unsere Tandemschule besuchte uns zweimal in Haßfurt. Unser Gegenbesuch steht zwar immer noch aus, wir stehen aber immer noch in regem Kontakt. Die sehr unterschiedlichen Ferienzeiten und Prüfungszeiten haben den Gegenbesuch bisher noch nicht ermöglicht.
Beim Besuch der Tandemschule in Haßfurt fanden Unterrichtsbesuche statt, viele Gespräche und natürlich wurde jedes technische Detail der Schule gezeigt und im regen Austausch durchleuchtet. Das waren zum Beispiel die iPad-Koffer und deren Einsatz im Unterricht, die Tafeln und interaktiven Beamer, die Computerräume, das Wirken unserer Schüler-Firma, die Wartungsarbeiten selbstständig übernimmt u.v.m.
Meyfarth: Wir waren zweimal in Haßfurt zum Hospitieren, um den Einsatz und die Umsetzung der Wikis genau in Augenschein zu nehmen.
Berend: Die KollegInnen aus Straubing haben uns am Struensee Gymnasium in Hamburg besucht. Die Hospitationen im Schulalltag waren fokussiert auf den Einsatz von digitalen Medien und dem selbständigen Lernen. Besonders das Lernbüro, eine separaten Arbeitszeit für SchülerInnen mit Wochenplänen am Anfang des Schultages war inspirierend für die bayrischen KolegInnen. Generell war das kollegiale Miteinander, auch nach der Projektarbeit sehr angenehm und toll.
Hansche: Ja, gegenseitig. Allerdings war der Besuch an unserer Schule mit dem Besuch der gesamten Gruppe verbunden, die im Rahmen der Schulhospitation beim dritten Netzwerktreffen bei uns zu Gast war.
Der Besuch der Tandemschule war für uns sehr gewinnbringend, allerdings legte sich der Fokus zunehmend auf das gesamte tolle Schulklima in Augsburg und die einzelnen pädagogischen Bausteine, die dieses Klima fördern.
Bleiben Sie auch nach Abschluss der Netzwerkphase mit Ihrer Tandemschule im Austausch?
Hiernickel: Das geschieht sehr rege, da auch der menschliche Kontakt sehr wertvoll war und wir Freunde geworden sind.
Meyfarth: Auf jeden Fall!
Berend: Wir würden uns das natürlich sehr wünschen. Aber – ehrlich gesagt – ohne den Rahmen eines organisierten Netzwerkes wird dies vermutlich im Alltag schwierig sein.
Hansche: Ja, unsere Schulsozialarbeiterin war kürzlich erst dort wegen der Umsetzung eines Interventionskonzeptes. Weiterhin ist eine Einbindung für einen Pädagogischen Tag ggf. angedacht.
Einen besonders schönen Einblick in die gelungene Zusammenarbeit mit ihrer Tandemschule gewährte uns das Schulteam vom Regiomontanus Gymnasium Haßfurt bei unserer Abschlussveranstaltung: