Mobbing ist an Schulen keine neue Erscheinung, aber im Zeitalter digitaler Medien erreicht die Ausgrenzung einzelner Schülerinnen und Schüler eine neue Dimension. Durch die Anonymität und rasante Geschwindigkeit, mit der sich Inhalte im Netz verbreiten, können Jugendliche heute noch schneller zu Mobbing-Opfern werden. In einer Umfrage geben 37 Prozent der 14- bis 17-jährigen Befragten an, dass in ihrem Bekanntenkreis bereits jemand Opfer von Cybermobbing wurde (JIM-Studie 2013). Vor allem in den sozialen Medien herrscht zunehmend eine Kultur der Respektlosigkeit, in der Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie oder Sexismus verstärkt Ausdruck finden.
Im Rahmen eines Online-Seminars zum Thema „Umgang mit Cyber-Mobbing und Hate Speech“ hatten Schulen aus dem Netzwerk bildung.digital – Netzwerk ganztägig bilden nun die Gelegenheit sich zur Thematik auszutauschen. Björn Friedrich von der medienpädagogischen Facheinrichtung „SIN – Studio im Netz“ gab einen fachlichen Input zu Cybermobbing und Hate Speech und beantwortete die Fragen der Teilnehmenden. Die wichtigsten Informationen und Ergebnisse des Seminars haben wir im Folgenden zusammengefasst.
Was ist Cybermobbing?
Das absichtliche Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen oder Belästigen einer Person über einen längeren Zeitraum durch Andere wird als Mobbing bezeichnet. Beim Cybermobbing werden vorwiegend digitale Medien wie Social Media-Plattformen oder Messagingdienste genutzt, wodurch das Mobbing für die Betroffenen ganz andere Dimensionen annehmen kann. Cybermobbing beschränkt sich damit nicht mehr nur auf den Schulhof, sondern kann zeitlich unbegrenzt stattfinden und die Mobbingopfer bis nach Hause verfolgen. Einen privaten Zufluchtsort zu finden, wird für die Betroffenen somit fast unmöglich. Zudem sind digitale Inhalte, sobald sie einmal veröffentlicht wurden, sehr schwer zu kontrollieren. Sie können sich rasant schnell verbreiten, ein Publikum von nicht überschaubarer Größe erreichen und schwer wieder vollständig gelöscht werden.
Was ist Hate Speech?
Hate Speech bezeichnet eine Form der Kommunikation im Internet, die sich meist gegen spezifische Personengruppen richtet und Äußerungen beinhaltet, die diese beleidigen, angreifen, abwerten oder zu Gewalt gegen sie aufrufen. Opfer und Täter sind sich im Gegensatz zum (Cyber-)Mobbing meist unbekannt.
Welche Gesetze greifen gegen Cybermobbing oder Hate Speech?
Cybermobbing selbst ist kein Straftatbestand, es können aber indirekt Straftatbestände wie Beleidigung, Verleumdung, Verletzung des Rechts am eigenen Bild oder die Verbreitung von Gewaltdarstellungen erfüllt sein und strafrechtlich verfolgt werden. Auch Hate Speech im Netz kann strafrechtliche Konsequenzen haben und mit erheblichen Geldstrafen geahndet werden.
Wie kann man Cybermobbing und Hate Speech vorbeugen?
Schülerinnen und Schüler sollten in erster Linie darin bestärkt werden, sich aktiv gegen Mobbing-Aktionen und Hate Speech einzusetzen. Vor allem Dritte können dabei eine Schlüsselrolle spielen, indem sie sich mit den Betroffenen solidarisieren, da diese meist nicht in der Lage sind, sich zu wehren oder um Hilfe zu bitten. Daher ist eine Thematisierung im Unterricht sehr wichtig, um Schülerinnen und Schülern bereits im Vorfeld die Gelegenheit zu bieten, ihre persönlichen Grenzen zu setzen und dafür zu sensibilisieren, möglichst oft möglichst genau hinzuschauen.
Im besten Fall werden die Themen in den Lehrplan aufgenommen oder sind so im Schulalltag verankert, dass sie regelmäßig – zum Beispiel im Rahmen von Medienprojektwochen – in allen Klassenstufen Beachtung finden. Als erfolgreich haben sich in diesem Zusammenhang auch Peer-to-Peer-Projekte wie Streitschlichterprogramme oder Medienscouts erwiesen. Diese Schülerinnen und Schüler können im Umgang mit Cybermobbing und Hate Speech geschult werden und sich auch mit moralischen Fragestellungen der Internetnutzung auseinandersetzen. Im Folgenden dienen sie als Ansprechpersonen für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler.
Wie können die Themen Cybermobbing und Hate Speech in der Schule aufgegriffen werden?
Die Folgen diskutieren: Mit Jugendlichen die Unterschiede zwischen den beiden Themen herauszuarbeiten und deren Folgen zu diskutieren, kann eine gute Annäherung an das Thema darstellen.
Sich positionieren (lernen): Weiterführend kann eine Auseinandersetzung in der Klasse durch ein Positionierungsspiel angeregt werden. Die Jugendlichen werden angehalten, zu verschiedenen kritischen Begriffen wie „Opfer“, „behindert“ oder „schwul“ Stellung zu beziehen. Je nachdem, ob sie den Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch als eher harmlosen oder zu harten Ausdruck wahrnehmen, positionieren sie sich im Klassenzimmer eher auf der einen oder anderen Seite des Raumes. Dabei ist es wichtig, in einer anschließenden Diskussion unterschiedliche Positionen noch einmal aufzugreifen, aber den Schülerinnen und Schülern auch den ursprünglichen Kontext der Begriffe zu verdeutlichen (was heißt Behinderung, Homosexualität etc.).
Regeln formulieren: Gemeinsam mit der gesamten Klasse können allgemeine Umgangsformen oder Regeln für den Klassenchat formuliert, digital dokumentiert oder analog im Klassenraum aufgehangen werden.
Argumente sammeln: Hass-Kommentare im Internet sollten nicht einfach so stehen gelassen werden. Das sachliche Argumentieren gegen Hass-Kommentare kann an konkreten Beispielen in der Schule geübt werden.
Auch von externen Stellen kann Hilfe in Anspruch genommen werden. Es gibt meist lokale Organisationen die Workshops an Schulen zu den Themen Cybermobbing und Hate Speech anbieten. Auch die Polizei bietet in vielen Regionen entsprechende Seminare für Schulen an.
Was kann unternommen werden, wenn ein Cybermobbing-Fall an der Schule bekannt wird?
Zunächst empfiehlt es sich, derartige Fälle schulintern mit den betroffenen Schülerinnen und Schülern zu klären. Eine Vorgehensweise, die sich an vielen Schulen bereits als sehr erfolgreich bewiesen hat, ist der „No Blame Approach“ – ein lösungsorientierter Ansatz, bei dem auf Schuldzuweisungen und Bestrafungen verzichtet wird und der Fokus darauf liegt, gemeinsam konkrete Ideen zu entwickeln, die die Situation des Opfers verbessern.
Eine weitere Möglichkeit ist die „Shared Concern Method“. Es handelt sich dabei um einen bestärkenden Ansatz, der die sozial positiven Fähigkeiten der mobbenden Jugendlichen adressiert und über gezielte Fragestellungen versucht, Verständnis für die vom Mobbing Betroffenen zu erzeugen.
Darüber hinaus kann das Thema im Anschluss z. B. in Workshops oder einer Klassen- bzw. Schulkonferenz aufgegriffen werden. Dadurch werden Räume geschaffen, die es ermöglichen einen solchen Vorfall in der Schulgemeinschaft zu verarbeiten, aber auch individuelle Perspektiven aller Beteiligten zu berücksichtigen. Denn neben Opfern und Tätern stehen immer auch indirekt Beteiligte oder Betroffene, die nun einbezogen werden können, um ähnliche Fälle in der Zukunft zu verhindern. Je nach Schwere des Vorfalls, vor allem unter Berücksichtigung der Schädigung des Opfers, oder bei wiederholten Vorfällen sollte auch das Einschalten der Polizei in Erwägung gezogen werden. (Cyber-)Mobbing und Hate Speech können Straftatbestände darstellen.
Wie kann gegen auffällige Kommentare oder Profile auf Social-Media-Plattformen vorgegangen werden?
Plattformen sind durch das seit Oktober 2017 in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz verpflichtet, rechtswidrige gemeldete Kommentare, Videos, Bilder oder ganze Profile nach Prüfung innerhalb einer bestimmten zeitlichen Frist zu löschen. Über eine „Melden“-Funktion kann der jeweilige Plattformanbieter unter Angabe der Gründe über die zu löschenden Inhalte informiert werden. Auch die Polizei kann eine Löschung digitaler Inhalte bewirken, was vor allem bei anonymen Nutzern hilfreich ist und Prozesse ggf. auch beschleunigen kann.