Der Ausgangspunkt für die Reise nach Tschechien waren die Ergebnisse der ICILS-Studie 2023. Im internationalen Vergleich landete Deutschland hier nur im Mittelfeld: Mehr als 40 Prozent der Achtklässler:innen in Deutschland verfügen lediglich über grundlegende digitale Kompetenzen. Damit werden zentrale Voraussetzungen für demokratische Teilhabe, kritische Informationsverarbeitung und selbstständiges digitales Arbeiten nicht erfüllt. Bereits Anfang des Jahres haben wir im Rahmen unseres Impulsformats update.bildung mit Prof. Dr. Birgit Eickelmann die Ergebnisse von ICILS 2023 vorgestellt, eingeordnet und um Handlungsempfehlungen für die Bildungspolitik ergänzt. Diese sind in dieser Expertise gebündelt.
Währenddessen zählte Tschechien zur europäischen Spitzengruppe in ICILS 2023. Für uns ein guter Anlass, unserem Nachbarland einen Besuch abzustatten. Wie sieht Medienbildung in Tschechien aus? Was können wir von ihnen lernen?
Schule als lernende Organisation – mit klarer Vision
Die Lernreise führte uns nach Prag und Hradec Králové (Königgrätz). Was uns dort besonders beeindruckt hat, war das Selbstverständnis, mit dem Lernen als kollektiver, kontinuierlicher Prozess gestaltet wird. Lehrkräfte und Schulleitungen lernen dort systematisch voneinander – sei es durch Hospitationen, schulinternen Austausch oder Tandems mit Lehramtsstudierenden. Die Verankerung dieser Haltung in der Schulkultur stärkt nicht nur die Qualität des Unterrichts, sondern auch das Vertrauen in kollegiale Zusammenarbeit.
Bemerkenswert war auch die starke regionale Vernetzung der Schulleitungen – nicht nur zum fachlichen Austausch, sondern auch zur Identifikation von Fördermöglichkeiten für schulische Entwicklungsprojekte auf nationaler und europäischer Ebene.
Theorie und Praxis verzahnen: Universitäten als Treiber der Transformation
Ein zentrales Element: Die enge Verbindung zwischen Lehrkräftebildung und Schulpraxis. An der Universität in Königgrätz ist man überzeugt: Universitäten sollen nicht nur Wissen vermitteln, sondern aktive Partner in der schulischen Transformation sein. So werden künftige Lehrkräfte frühzeitig auf schulische Realitäten vorbereitet.
Datengestützte Schulentwicklung als Leitprinzip
Ob Schulinspektion, Nationales Pädagogisches Institut oder Bildungsministerium: Viele Akteure arbeiten datengestützt. Schulentwicklungsprozesse werden auf Basis konkreter Bedarfe geplant. Gleichzeitig dienen nachgefragte Themen als Türöffner, um strategisch relevante Inhalte in Fortbildungen zu verankern. Die daraus resultierenden Unterstützungsformate für Schulen sind vielfältig und reichen von Beratung zu Technik-, Personal- und Organisationsentwicklung, Podcasts, Webinaren und Maker Spaces bis hin zu praxisorientiertem Unterrichtsmaterial. Auch europäische Instrumente wie DigCompEdu und SELFIE für Lehrkräfte, kommen gezielt zum Einsatz.
Was wir mitnehmen – Impulse für unsere Praxis
Unsere Gespräche haben viele Facetten der tschechischen Bildungslandschaft aufgezeigt. Diese haben uns inspiriert, über strukturelle Fragen wie auch über Haltungen nachzudenken:
- Schulleitungen genießen mehr Autonomie, was eine veränderte Leitungs- und Führungsrolle ermöglicht und erfordert.
- Informatik ist bereits ab der Primarstufe Pflichtfach – kombiniert mit fächerübergreifender Medienkompetenzvermittlung.
- Selbstkritik und Weiterentwicklungswille prägen das Selbstbild von Lehrkräften, Institutionen und Ministerium.
- Partizipative Strategieprozesse, etwa in Form von Round Tables, sichern die Partizipation und Motivation aller Beteiligten.
- Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit gelten als Schlüsselkompetenzen für digitalen Medieneinsatz – ebenso wie die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen innerhalb der Schulgemeinschaft.
Unser Fazit: Mut zur Veränderung
Unsere Lernreise hat uns eindrücklich vor Augen geführt: Der digitale Wandel in der Bildung gelingt nicht allein durch Technik. Entscheidend sind Haltungen, Strukturen und die Bereitschaft, Schule als lernende Organisation zu gestalten. Tschechien zeigt, wie dies mit Mut zur Veränderung, strategischer Zusammenarbeit und partizipativer Steuerung gelingen kann. Ein Impuls, den wir mitnehmen und weiterdenken wollen.
Gemeinsam mit unseren Mitreisenden aus Kulturministerien, Wissenschaft und Zivilgesellschaft erarbeiten wir ein Impulspapier, das hier nach der Sommerpause veröffentlicht wird.



Bilder: © DKJS/ Michael Böhm