Herr Steinhäuser, Sie leiten die Serviceagentur Ganztag am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) in Bayern. Wer wirkt alles in Ihrem Team mit und wie darf man sich Ihre Arbeit in Bayern vorstellen?
Wir sind ein Team aus abgeordneten und teilabgeordneten Lehrerinnen und Lehrern unterschiedlicher Schularten, also ein schulartübergreifendes Team. Im Auftrag des Kultusministeriums erstellen wir Materialien und führen Veranstaltungen durch. Wir sind verantwortlich für die pädagogisch-konzeptionelle Weiterentwicklung von Ganztagsschulen und Ganztagsangeboten in Bayern. So reicht unser Angebot dann von einer einführenden fünfbändigen Broschüre zum Ganztag für angehende Lehrkräfte über die Entwicklung eines Portals mit Anregungen und Tipps für die Praxis hier in Bayern bis hin zu Veranstaltungen für schulisches und außerschulisches Personal an bayerischen Ganztagsschulen.
Das heißt alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Serviceagentur sind noch als Lehrkräfte tätig?
Genau, zum Team gehören vorwiegend teilabgeordnete Lehrkräfte, die zum Teil noch in ihren Schulen tätig sind. Die Idee dahinter ist, dass wir so einen engen Bezug zur Schule haben und das, was die Schulen hier in Bayern bewegt, auch aufgreifen können.
Seit September 2017 nehmen zehn bayerische Ganztagsschulen im Netzwerk bildung.digital – Netzwerk ganztägig bilden teil und arbeiten daran, Konzepte digitalisierter Bildung an ihren Schulen zu entwickeln und zu verankern. Warum hat sich Bayern dafür entschieden, mit Schulen an diesem Netzwerk teilzunehmen?
Das ordnet sich im Grunde genommen in die bildungspolitische Strategie der Staatsregierung ein. Der Freitstaat investiert massiv in die Digitalisierung an Schulen und verbessert damit auch die Voraussetzungen für digitales Lernen – vorwiegend für Ausstattung, zusätzliche Lehrkräfte, Fortbildungen und so weiter. Beim Auftakttreffen des Netzwerks haben wir die Hoffnung und den Anspruch artikuliert, dass die am Netzwerk bildung.digital – Netzwerk ganztägig bilden teilnehmenden Schulen gemeinsam innovative Konzepte für den Ganztag entwickeln, neue Wege gehen und Impulse für alle Schulen in Bayern setzen. Letztlich schafft bildung.digital ja auch einen Rahmen für diese fachlichen Anregungen durch länderübergreifende Austauschmöglichkeiten und bietet auch die Möglichkeit oder die Chance, eigene Praxis ganz systematisch zu reflektieren.
Wie muss man sich die Begleitung der bayerischen Ganztagsschulen in diesem Themenfeld vorstellen?
Im Film sehen Sie das Auftakttreffen für die bayerischen Schulen in Zirndorf – die Mittelschule Zirndorf ist eine der Ganztagsschulen im Netzwerk von bildung.digital. Das ist ein sehr gutes Beispiel für unsere Arbeit. Bei diesem Netzwerktreffen ging es uns beispielsweise darum, den Austausch und die Vernetzung auf Landesebene zu schaffen, also etwas, das die länderübergreifenden Netzwerke gar nicht bieten können und wollen. An bildung.digital nehmen immerhin zehn Schulen aus unterschiedlichen Landesteilen in Bayern teil. Diese sollten sich kennenlernen, miteinander ins Gespräch kommen und ihre Erfahrungen aus dem Netzwerk austauschen und weitergeben. Außerdem ging es bei diesem Treffen auch darum, die unterschiedlichen Vorhaben noch mal vor dem Hintergrund der bayerischen Digitalisierungsstrategie zu reflektieren. Eine weitere Zielrichtung war natürlich, dass die Schulen, die wir in das Netzwerk bildung.digital – Netzwerk ganztägig bilden entsendet haben, ihre Erkenntnisse und Erfahrungen auch mit anderen Schulen in Bayern teilen.
Wie kann dieses Wissen, das die Schulen über das Netzwerk und ihre Projekte erlangen, nun an alle bayerischen Ganztagsschulen weitergegeben werden?
Wir haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Schulen in der Projektphase schon immer wieder gebeten, ihre Ideen und Konzepte bei unseren Veranstaltungen vorzustellen. So haben wir die Netzwerkschulen zum bayerischen Ganztagsschulkongress eingeladen, wo sie ihre Konzepte und Projekte in einem Maker Space vorgestellt haben. Außerdem starten wir ab Mai 2019 eine Veranstaltungsreihe “Verantwortungsbewusst digital im Ganztag“, in deren Rahmen wir auch immer wieder auf die Netzwerkschulen zurückgreifen und sie über Salons oder Workshops einbinden werden. Zudem haben wir ein Abschlusstreffen in München geplant, auf dem die Ergebnisse und Erfahrungen noch mal ausgetauscht werden sollen und eben auch die Frage diskutiert werden kann, wie diese Ergebnisse jetzt fruchtbar für andere bayerische Schulen gemacht werden können und welche Ergebnisse auch konkret mit Blick auf den Ganztag und dessen Handlungsfelder genutzt werden können – zum Beispiel in Lernzeiten oder auch für die Kooperation von Lehr- und Fachkräften.
Welche Unterstützungsbedarfe nehmen Sie und Ihr Team bezogen auf digitalisiertes Lernen in der Ganztagsschule wahr? Was brauchen die Schulen im Netzwerk bildung.digital und die bayerischen Schulen generell, um die digitale Transformation aktiv zu gestalten und Schülerinnen und Schüler zeitgemäß zu unterrichten?
Erst einmal glaube ich, dass es eine Systematisierung der Medienarbeit geben muss. In Bayern gibt es deshalb eine sogenannte Medienkonzeptinitiative, und innerhalb dieser Initiative sind die Schulen aufgefordert, ihre Medienarbeit an der Schule in Form eines Medienkonzepts zu systematisieren. In unserem Kontext stellt sich natürlich auch die Frage, wo findet sich der Ganztag in diesen Medienkonzepten? Wenn wir von multiprofessioneller Kooperation und Zusammenarbeit sprechen, dann braucht es auch im Hinblick auf das Medienkonzept und eine systematische Medienarbeit an der Schule eine Mitarbeit der Kolleginnen und Kollegen im Ganztag. Das ist natürlich eine sehr anspruchsvolle Querschnittsaufgabe, bei der es darauf ankommt, Kolleginnen und Kollegen aus den ganz unterschiedlichen und verschiedenen Bereichen der Schule mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen einzubeziehen und einzubinden. Vom Kultusministerium gibt es schon ganz unterschiedliche Unterstützungselemente und -instrumente, die online zur Verfügung stehen und den Schulen Orientierungen bieten, wie sie zum Beispiel ein Medienkonzept erstellen können. Aber den Brückenschlag zum Ganztag hinzubekommen, ist eine besondere Herausforderung, der wir uns stellen.
Natürlich geht es dann auch um Faktoren wie Geräteverfügbarkeit und Internetzugang auch für die Angebote am Nachmittag oder überhaupt Ganztagsangebote, um eigenaktive, kollaborative und interaktive Lernszenarien zu unterstützen.
Weiterhin bedarf es einer Unterstützung von Lehrkräften, aber eben auch von Fach- und Betreuungskräften im Ganztag, in technischen und medienpädagogischen Fragestellungen.
Die vbw-Studie “Digitale Bildung an bayerischen Schulen” hat schließlich herausgestellt, dass digitale Medien in Fortbildungsveranstaltungen in einem breiten didaktischen Spektrum thematisiert werden sollten, um so generell einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung oder -steigerung zu leisten.
Dementsprechend haben wir auch die Veranstaltungsreihe “Verantwortungsbewusst digital im Ganztag” aufgesetzt, in der es einerseits um die Integration digitaler Medien in Lernzeiten, um Möglichkeiten der Beteiligung und des Dialogs, aber auch um Dinge wie den Abbau von Ängsten und Barrieren geht.
Sie begleiten bayerische Schulen, doch bildung.digital und Ganztägig bilden setzen auf eine bundesweite Vernetzung. Welche Bedeutung hat diese Vernetzung für Sie und Ihr Länderteam? Und welchen Mehrwert sehen Sie dabei für die teilnehmenden Schulen?
Die Traditionen, die Rahmenbedingungen, auch die bildungspolitischen Schwerpunktsetzungen sind bundesweit unterschiedlich. Aber letztlich stehen die Ganztagsschulen in den unterschiedlichen Bundesländern immer vor der gleichen Frage, wie die Digitalisierung in den Schulen oder ganz allgemein auch Qualitätsentwicklung vor Ort gestaltet werden kann. Dabei ist es natürlich immer lohnenswert, über die Ländergrenzen hinweg zu schauen. bildung.digital und Ganztägig bilden schaffen einen Rahmen für diesen Austausch, für eine länderübergreifende Vernetzung, und fördern auch ein wenig den Wettbewerb zwischen den Ländern um gute Lösungen und beleben somit Qualitätsentwicklung. So eröffnen die Programme auch neue Perspektiven für uns in Bayern und erweitern unseren Horizont.
Herr Steinhäuser, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.