© Franziska Ziep I Hagen Stephan
Franziska Ziep begleitet in bildung.digital ein Digitales Schulentwicklungsnetzwerk. Im Interview erzählt sie, wie sie die Experimentierfreude in der Netzwerkarbeit weckt und neue Erfahrungsräume ermöglicht.
Ihre langjährige Erfahrung im Bereich Schulentwicklung begann Franziska Ziep innerhalb der Stiftung Lernen durch Engagement. Die Organisation setzt sich mit der bundesweiten Verankerung von Service Learning an Schulen für die Veränderung von Schule und Lernkultur ein.
Dabei machte sie die Erfahrung, dass schulische Entwicklungsprozesse trotz individueller Rahmenbedingungen und Herausforderungen am besten in der Vernetzung mit anderen Schulen und Partner:innen aus der Zivilgesellschaft, Bildungsverwaltung und -politik gelingen. Darum ist es ihr ein wichtiges Anliegen, solche Kooperationen und Netzwerke zu stärken und allen Beteiligten notwendige Impulse, einen geeigneten Rahmen und das richtige Handwerkszeug mitzugeben, das für die konkreten Vorhaben hilfreich ist.
Aktuell unterstützt Franziska Ziep mit dem Forum Kulturwandel Bildung Organisationen im Bildungsbereich bei der Umsetzung hin zu einer bewussten und innovativen Lernkultur. Außerdem leitet sie den Bereich Schulentwicklung und das Handlungsfeld Schule bei Education Y.
Was ist dein Lieblings-Warmup?
Wenn ich ehrlich bin, habe ich die schönsten Erfahrungen bislang mit Methoden gemacht, die Achtsamkeit stärken und einen vertrauensvollen Raum eröffnen. Und darum beginne ich eine Moderation gerne mit „Zwei Minuten Stille“ und der Frage: Mit welcher Intention bist Du heute hier? Das wärmt nicht nur den Geist, sondern schafft eine ruhige und fokussierte Arbeitsenergie und ich bin immer wieder erstaunt, was daraus an kreativem Potenzial miteinander erwächst. Und wenn es etwas zugewandter zugehen soll, dann lade ich Teilnehmende gerne zu „2 Wahrheiten und eine Lüge“ ein, weil es eine humorvolle Art ist, sich besser kennenzulernen.
Was ist deine Lieblingsmethode in der Arbeit mit Schulentwicklungsnetzwerken?
Wenn wir als Netzwerk zusammenarbeiten, finde ich es wichtig, dass wir uns nicht nur auf das WAS, sondern auch auf das WIE der gemeinsamen Arbeit konzentrieren. Darum arbeite ich gerne mit Methoden, die auf Design Thinking oder auf der Theorie U basieren und Ko-Kreativität stärken. Beide Ansätze verbindet, dass sie lösungs- und zukunftsorientiert sind und das Potenzial des gemeinsamen Denkens und Handelns erfahrbar machen. Eine meiner Lieblingsmethoden ist die Case Clinic, mit der wir Lehrende auch im Netzwerk Schule stärken - eine Form von kollegialer Fallberatung, die neue Lösungsräume für Entwicklungsvorhaben eröffnet.
Gibt es am Programmansatz von bildung.digital etwas, das dir besonders gut gefällt?
Der Netzwerkgedanke an sich hat großes Potenzial! Wenn – wie bei bildung.digital – noch die Zusammenarbeit in Schultandems gefördert wird, profitieren die teilnehmenden Schulen in besonderer Weise. Das konkrete miteinander und voneinander Lernen, der Wissenstransfer, die gegenseitige Unterstützung bei individuellen Herausforderungen, das alles gelingt in einem kleineren Austausch noch einmal in besonderer Weise. Das gefällt mir nicht nur gut, ich darf auch erleben, dass es für die Schulen eine große Bereicherung ist.
Was ist deine Lieblings-Anekdote aus dem bildung.digital-Netzwerk, das du begleitest?
Vielleicht keine Anekdote aber ein besonderer Moment: In unserem 3. Netzwerktreffen haben wir WorkAdventure als kollaborative Plattform ausprobiert. Das klappte trotz aller versierten Vorbereitungen durch das tollen Team von bildung.digital etwas holperig, weil es für alle neu war und instabile Netzverbindungen uns Geduld abverlangten. Die befürchte Unzufriedenheit mit unserem Experiment blieb aus – im Gegenteil: Für viele Teilnehmer:innen war es eine so bereichernde Erfahrung, dass an einigen Schulen gleich die Weihnachtsfeier oder eine Unterrichtseinheit damit geplant wurde. Das sind so Momente, in denen ich mich unglaublich freue, dass sich alle auf ein gemeinsames Experimentieren einlassen, daran Freude haben, daraus lernen und Anstöße für (partizipative) Unterrichtsgestaltung mitnehmen. Nur so gelingt Entwicklung.
Wie hat sich deine Arbeit durch Corona verändert?
Auch schon vor Corona hat mich die Frage beschäftigt, wie wir die Zusammenarbeit in Schulen und die damit verbundenen Kompetenzen für Veränderungsprozesse stärken können. Wie gelingt es, erfahrungsbasiertes Lernen auch im digitalen Raum zu gestalten? Die Pandemie, mit ihren Herausforderungen an neue Lern- und Arbeitsprozesse, hat mich nur bestärkt und mehr als deutlich gemacht, wie notwendig ein Kulturwandel im Bildungssystem ist.
Für meinem beruflichen Fokus hat das viele neue Möglichkeitsräume eröffnet. Zum einen die Gestaltung digitaler Fortbildungs-, Vernetzungs- und Beratungsformate, die u.a. Schulen und schulische Akteur:innen in Entwicklungsprozessen unterstützen. Ebenso die „Geburt“ unseres Podcast Küchentalk, den ich gemeinsam mit Anne Lützelberger und Kolja Brandstedt moderiere und den es wohl ohne Corona nie gegeben hätte. Und ich lasse mich von innovativen Lösungs-Methoden, wie der Theorie U inspirieren, die hier wirksame Tools bereitstellen.
Das sind alles unglaublich spannende Entwicklungsprozesse, für die es auch mehr und mehr eine politische Offenheit gibt. Gleichzeitig beobachte ich mit zunehmender Sorge, dass die Bewältigung der Folgen von Corona, insbesondere mit Blick auf die Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen, Schulen und unsere gesamte Gesellschaft vor große, herausfordernde Aufgaben stellt, für die es gute Konzepte, Lösungen und Gelingensbedingungen braucht. Diese mitzugestalten ist ein Teil meiner Arbeit.
Welche Tipps hast du für digitale Veranstaltungsformate?
Gerade im digitalen Raum ist es wichtig, eine gemeinsame Energie zu schaffen und zu halten, die uns hilft die Distanz zu überbrücken. Was hier hilfreich und möglich ist, variiert natürlich je nach Anlass der Veranstaltung. Bei einem virtuellen Vortrag gelingt es oft eine gemeinsame Erfahrung zu stiften, indem die/der Moderator:in darauf eingeht, wer gerade alles im Raum ist (z.B. durch Chat oder Mentimeter abfragbar). Für Workshops und Austauschformate finde ich es wichtig bei der Wahl der Videokonferenz-Tools darauf zu achten, dass sich alle sehen können und alle miteinander in Kontakt treten können.
Was ist aktuell dein meistgenutztes Tool – hast du einen Geheimtipp?
In der digitalen Zusammenarbeit mit Teams und Schulen nutze ich sehr viel Miro und Conceptboard. Für die Arbeit in virtuellen Teams und Netzwerken nutze ich am meisten die Community Templates, so lässt sich z.B. das bereits erwähnte Warm Up „2 Wahrheiten und 1 Lüge“ ganz einfach auf dem Miroboard integrieren.
Wann macht dir dein Beruf am meisten Spaß?
Mir liegt viel daran, meinen Beruf auch als Berufung – als sinnstiftend zu erleben. Wenn ich für gelingende Veränderungsprozesse im Bildungssystem einen Raum öffnen und halten kann, aber auch für die Entwicklung der Menschen im System, dann ist das für mich eine große Freude und Erfüllung. Wenn die Impulse, Tools und Konzepte aufgehen, hilfreich waren für das jeweilige Anliegen und wirklich dazu führen, dass sich etwas bewegt – das macht mich sehr glücklich.
Es gibt da diesen Moment, wenn beispielsweise in einem Schulentwicklungs-Workshop als Effekt bestimmter Methoden zwischen allen Beteiligten plötzlich eine große Resonanz spürbar wird. Wenn aus einer guten gemeinsamen Energie heraus auf einmal Lösungen entstehen, die vorher so für alle nicht denkbar waren und die alle einen großen Schritt voran und ins freudvolle Handeln bringen. Wenn die Teilnehmenden dann sagen: „Das war eine ganz neue Erfahrung. Wir wussten gar nicht, dass wir dazu fähig sind, das wollen wir jetzt öfter machen.“ Dann fühle ich mich sehr dankbar und bereichert.
Gibt es etwas, wofür du die Pädagog:innen, die im Programm bildung.digital teilnehmen, bewunderst?
Menschen, die sich mit Entwicklungsvorhaben und neuen Ideen an ihren Schulen auf den Weg machen, haben schon einmal meine uneingeschränkte Bewunderung. Sich dabei für einen Austausch mit anderen zu öffnen, Wissen zu teilen und in einen gemeinsamen Lernprozess einzutreten, finde ich großartig – vor allem weil sich viele Schulen und auch einzelne Lehrpersonen als Einzelkämpfer:innen erfahren. Gerade bei den Teilnehmer:innen im digitalen Schulnetzwerk II, das ich moderieren darf, erlebe ich immer wieder eine große Motivation und Offenheit, die eigenen Erfahrungen, Learnings und Fragen, aber auch ganz konkretes Praxiswissen mit allen zu teilen. Was mich daran am meisten begeistert, ist der tiefe Blick aller Beteiligten darauf, dass Digitalisierung an Schulen kein Selbstzweck ist, sondern etwas, das Kindern und Jugendlichen zeitgemäße Lernerfahrungen in einer Kultur der Digitalität ermöglicht.