Handlungsempfehlungen zum Einsatz künstlicher Intelligenz im Bildungskontext
Künstliche Intelligenz (KI) hat sich in rasanter Geschwindigkeit in nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche des Lebens verbreitet. Auch vor dem Bildungssystem machen KI-Technologien keinen Halt. Doch wie lassen sich die Systeme im deutschen Bildungssystem integrieren? Mit dieser Frage hat sich die Management-Beratung Kearney beschäftigt und in Kooperation mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) ein Whitepaper mit Handlungsempfehlungen veröffentlicht.
In dem Whitepaper werden Erfolgsfaktoren sowie daraus abgeleitete Empfehlungen für die Handlungsfelder Governance, Strategie und Technologie identifiziert und definiert. Die Ergebnisse basieren auf fundierten Analysen, Expert:inneninterviews und Erkenntnissen unseres Pilotprojekts KI im Klassenzimmer.
Die Handlungsempfehlungen im Überblick:
GOVERNANCE
Für einen erfolgreichen Einsatz von KI müssen effektive Steuerungsmechanismen etabliert werden. Dieses Handlungsfeld umfasst die folgenden wesentlichen Komponenten:
Die Steuerung muss landesübergreifend zentralisiert werden.
Eine zentrale, länderübergreifende Steuerungsinstanz ist erforderlich, um die Gesamtkoordination der KI-Integration zu übernehmen. Diese Instanz muss die strategischen Ziele im Blick behalten und sicherstellen, dass der Integrationsprozess von KI einheitlich und erfolgreich verläuft.
Klare Prozesse und Verantwortlichkeiten müssen etabliert werden.
Es braucht klar definierte und etablierte Entscheidungsprozesse, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten. Derzeit lastet eine erhebliche Verantwortung auf den Einzelschulen, was angesichts der Komplexität und Neuartigkeit der Thematik eine zu große Herausforderung darstellt.
Zudem ist es wichtig, Akzeptanz bei allen Beteiligten zu schaffen. Dies gelingt durch effektive Kommunikation. Lehrkräfte müssen neben einer inhaltlichen Weiterbildung auch verstehen, welche konkrete Rolle Künstliche Intelligenz im Schulkontext spielt.
STRATEGIE
Um KI im deutschen Bildungswesen zielgerichtet und erfolgreich einzusetzen, ist ein vorausschauendes und strategisches Vorgehen erforderlich.
Eine umfassende Strategie muss etabliert werden, um eine effiziente Einbindung von KI im Bildungswesen zu ermöglichen.
Im Bildungsbereich sollte Technologie stets mit dem Ziel eingeführt werden, einen klaren und messbaren Qualitätsgewinn für die (Aus-)Bildung der Schüler:innen zu schaffen. Um Künstliche Intelligenz zukunftssicher im Bildungssystem zu integrieren, bedarf es daher einer KI-Strategie, die mit den Bildungszielen abgestimmt und auf zukünftige Chancen und Herausforderungen im Bildungsbereich ausgerichtet ist. Aktuelle Herausforderungen – wie beispielsweise der Lehrkräftemangel oder die wachsende Heterogenität der Schüler:innen – können durch den KI-Einsatz abgemildert werden. Das Ziel einer solchen KI-Strategie sollte jedoch immer darauf liegen, das Lernen und Lehren zu verbessern.
Lehrkräfte müssen dazu qualifiziert werden, KI zielgerichtet und eigenständig in den Unterricht zu integrieren.
Um sicherzustellen, dass KI-Technologie pädagogisch sinnvoll eingesetzt wird, ist eine didaktische Begleitung entscheidend. Besonders in den unteren Klassenstufen und bei leistungsschwächeren Schüler:innen kann die Nutzung von KI andernfalls dazu führen, dass Aufgaben unkontrolliert an KI-Tools abgegeben werden und Lernfortschritte ausbleiben.
Um einen gelungenen Einsatz von KI im Unterricht zu ermöglichen, ist eine Befähigung der Lehrkräfte im Umgang mit KI entscheidend. Ein strategisches Fortbildungskonzept ist daher notwendig, um Lehrer:innen ein breites Verständnis und anwendungsbezogene KI-Kompetenzen zu vermitteln, damit sie eigenständig pädagogisch wertvolle Unterrichtsformate entwickeln können.
Chancen und Anwendungsbereiche von KI müssen nachvollziehbar und verständlich aufgezeigt werden.
Eine KI-Bildungsstrategie muss die Chancen und Anwendungsbereiche von KI klar und verständlich darstellen, um den Mehrwert für das Bildungssystem deutlich zu machen. Die Potenziale durch den Einsatz von KI sind vielfältig. Dazu zählen unter anderem die Individualisierung des Unterrichts, die Unterstützung und Entlastung von Lehrkräften, die Bereicherung des Unterrichts mit neuen Lernformaten sowie die Verbesserung des Unterrichts- und Schulmanagements.
Kompetenzen im Umgang mit KI müssen fächerübergreifend in Curricula aufgenommen werden.
Schüler:innen benötigen nach dem Verlassen der Schule ein grundlegendes technisches Verständnis und Kompetenzen im Umgang mit KI, um auf die Anforderungen der modernen Arbeitswelt vorbereitet zu werden. Entsprechende Lerninhalte sollten sich in einem zeitgemäßen Curriculum wiederfinden. Die Integration der Inhalte sollte dabei interdisziplinär und fächerübergreifend erfolgen, um sicherzustellen, dass Schüler:innen ein breites Spektrum an digitalen Kompetenzen erwerben.
Risiken und Limitationen für den Einsatz von KI müssen transparent abgewogen und in eine strategische Rahmensetzung integriert werden.
Risiken und Limitationen von KI, wie Datensicherheit, Prüfungsformate oder Altersbeschränkungen, müssen ebenfalls adressiert und strategisch beantwortet werden, um eine sichere und faire Anwendung der Technologie zu gewährleisten.
Durch den Gesetzgeber müssen zentral klare Grenzen für den Einsatz von KI im Bildungswesen gesetzt werden.
Die Rolle von KI im Bildungswesen muss klar definiert und mit strengen Rahmenbedingungen versehen werden, um eine sichere und ethische Nutzung der Technologie zu gewährleisten. Im Sinne der KI-Verordnung der EU, die KI-Anwendungen in Risikogruppen unterteilt und klare Grenzen für deren setzt, sollten zum Einsatz von KI in Schulen ebenfalls klare Regeln festgelegt werden. Deren Anwendbarkeit auf zukünftige Technologien sollte dabei sichergestellt werden.
TECHNOLOGIE
Für den effektiven Einsatz von KI in der deutschen Bildungslandschaft ist ein proaktives und technologieorientiertes Vorgehen unerlässlich.
Die Bereitstellung geeigneter Infrastruktur muss für eine erfolgreiche Integration von KI sichergestellt werden.
Eine gute Infrastruktur, sowohl in Bezug auf die Hardware als auch die verfügbare Software, ist elementar, um die erfolgreiche Integration von KI in den Schulalltag zu ermöglichen. Neben der Bereitstellung der digitalen Grundinfrastruktur müssen auch KI-Tools für den Unterricht an den Bildungskontext angepasst und DSGVO bzw. AI-Act konform sein. Zusätzlich ist die Garantie der Zukunftssicherheit besonders bei internetbasierten Tools wichtig, da bereits kleine Änderungen in der Nutzeroberfläche Probleme im Schulalltag hervorrufen können.
Vor diesem Hintergrund spricht viel für den Einsatz von Open Educational Resources, sprich, quelloffenen Ressourcen. Der Vorteil von freier und offener Software liegt in der simultanen Gewährleistung von Verfügbarkeit, Transparenz und Chancengerechtigkeit.
Die technische Einhaltung des EU AI Act muss zentral geprüft werden.
Nahezu alle KI-Anwendungen im Bildungsumfeld sind Hochrisikosysteme im Sinne des EU AI Act. Darin wird unter anderem das Erstellen von detaillierten Logs zur Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit sowie die Benutzung qualitativ hochwertiger Trainingsdatensätze zur Vermeidung diskriminierender Ergebnisse vorgeschrieben. Weiterhin verpflichtet der AI Act die Hersteller zu einem adäquaten Risikomanagement sowie zu ausreichend Robustheit und Sicherheit gegenüber möglichen Angriffen.
Die Beurteilung der regulatorischen Konformität einzelner Produkte mit den technischen Vorgaben kann nicht durch einzelne Lehrkräfte sichergestellt werden. Daher liegt es nahe, dass eine zentrale Instanz, wie beispielsweise die Landesministerien für Bildung, diese Verantwortung übernimmt.