Denken Sie, Datenschutz sollte im Unterricht ein verpflichtendes Thema sein?
Datenschutz muss auf jeden Fall irgendwie ins Curriculum, in den Unterricht mit rein. Natürlich ist es ein Problem, dass wir eine nicht einfach zu vermittelnde Materie haben, die auf einen vollen Lehrplan trifft. Ich plädiere aber stark dafür, dass Thema nicht liegen zu lassen und auch nicht nur irgendwo als Wahlfach unterzubringen. Wir begeben uns ja in eine digitale, nicht nur Arbeitsumgebung, sondern auch Lernumgebung und letztlich auch Lebensumgebung. Alles ist datenbasiert und datenbezogen, Datenkompetenz betrifft sogar das Alltagsleben. Das kann nicht alles nur zuhause vermittelt werden, sondern da ist die Schule in der Pflicht.
Wer bringt Kindern und Jugendlichen denn heute eigentlich Wissen zu Datenschutz bei? Ist das nur die Schule?
Viele Lehrkräfte sehen sich noch nicht befähigt, diese Akteure zu sein. Vielleicht weil sie selbst noch Nachholbedarf haben. Das ist auch verständlich, da eine Lehrkraft sich nicht ständig mit Datenschutz, Technik und Recht befasst und so gar nicht so tief in der Materie sein kann. Wenn sie diese dann glaubhaft und glaubwürdig vermitteln soll, ist das eine große Herausforderung. Wir beobachten, dass viele Lehrerinnen und Lehrer sich das nicht zutrauen und da eher auf andere hoffen, die es machen. Wie z. B. mithilfe der Aktion “Datenschutz geht zur Schule“ vom Berufsverband der Datenschutzbeauftragten, bei der ehrenamtliche IT-Verantwortliche aus Unternehmen und Datenschutzbeauftragte in den Unterricht gehen und ihr Fachwissen mitbringen. Das ist hoch willkommen, da diese das Thema mit ihrem Hintergrund sehr gut fachlich rüberbringen, was sich Lehrerinnen und Lehrer oftmals nicht zutrauen. Es gibt also einen großen Glaubwürdigkeitsvorschuss für Fachleute, die in Schulen gehen. Ob das eine generelle Lösung sein kann, oder ob man dranbleiben sollte, die ordentlichen Lehrkräfte in den Stand zu versetzen, dass sie Daten- und Digitalisierungskompetenz besser vermitteln können, ist jedoch eine strukturelle Frage, die auch von Kapazitäten abhängt.
Datenschutz ist immer auch eine Gemeinschaftsaufgabe von Schule und Eltern, zudem haben Eltern eine Vorbildfunktion für ihre Kinder. In der DIVSI U25-Studie “Euphorie war gestern” von 2018 wurde festgestellt, dass Kinder und Jugendliche sich Ihr Wissen zum Internet größtenteils selbst beibringen. Auf Eltern, ihre Verwandten und Schule greifen sie kaum zurück. Wie kann man hier die Position der Eltern stärken?
Man kann es sich natürlich bequem machen, und sagen „das bringen die sich alles selbst bei, da müssen wir gar nichts mehr tun“. Die Frage bleibt, wer denn den Eltern die Kompetenz vermittelt; das können nicht die Schulen oder Universitäten machen. Das müssen Eltern daher einerseits selbst machen, aus eigenem Antrieb über z. B. die Angebote im Netz. Oder der Staat muss es durch Aufklärungsprogramme machen, mit denen die Bundesregierung zum Beispiel die Bundeszentrale für politische Bildung beauftragt. Das wäre für mich die richtige Adresse, um Eltern zu schulen, ihre Kinder zu schulen. Sicherlich ist es aber auch ein gemeinsames Lernen von Eltern und Kindern. Eltern müssen ihren Kindern gar nicht von oben herab beibringen, sondern können vielleicht auch mit ihnen gemeinsam entdecken. Es geht hier ja auch um das lebenslange Lernen. Digitalisierung ist dynamisch und schreitet stark voran. Diese Welt, die sich ständig verändert, kann man natürlich auch gemeinsam erkunden.
Was gibt es bei der Kommunikation zwischen Eltern und Lehrern zu beachten? Ein klassisches Beispiel ist, dass Eltern und Lehrer sich auf WhatsApp austauschen, aber welche Stolperfallen gibt es noch?
Neben dem Datenschutzthema gibt es natürlich noch das Effizienzthema. Wenn ständig Rundmails an alle oder Messenger-Lawinen durch die Gegend gehen, dann geht natürlich auch vieles an wichtigen Inhalten unter. Wenn die modernen Kommunikationsmittel nicht richtig angewendet werden, können sie sogar stören, bremsen und verlangsamen. Zudem gibt es datenschutzfreundliche Alternativen zu WhatsApp mit der gleichen Funktionalität und die sollte man dann nutzen.
Viele Schulen greifen aus diesen Gründen ja mittlerweile auch auf Lernmanagementplattformen zurück, sehen sie da auch Probleme?
Wenn diese datenschutzrechtlich konform genutzt werden, ist es unproblematisch. Auch hier kann die öffentliche Hand etwas beeinflussen. Insbesondere wenn sie einfach die Plattformen selbst schafft oder nach eigenen Vorgaben schaffen lässt. Dann kann sie auch Vorgaben machen, bei denen der Privatsphärenschutz entsprechend hoch aufgehängt ist und kann so gut Einfluss nehmen.
Herr Richter, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!