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Immer wieder nannten Teilnehmende vorangegangener Schulcafés die Herausforderung, sich auf die Distanz auch um diejenigen Schülerinnen und Schüler zu kümmern, deren Eltern schwer erreichbar sind. In der öffentlichen Debatte liest man zudem häufig von den Problemen der Sorgeberechtigten, Home Office und Home Schooling unter teils schwierigen Bedingungen unter einen Hut zu bringen. Dies nahmen wir uns zum Anlass, das vierte Schulcafé dem Thema Bildungs- und Erziehungspartnerschaften zwischen Pädagoginnen und Pädagogen auf der einen und Familien auf der anderen Seite zu widmen. Welche Bedeutung hat diese Partnerschaft in der aktuellen Lage? Wie gelingt sie schon? Wo stehen Lehrende und Eltern vor Herausforderungen?
Die Situation aus Elternsicht: Kurzinput von Norman Heise, Vorsitzender des LandesElternAusschusses Berlin
Zunächst hob Norman Heise das hohe Engagement vieler Lehrkräfte und Schulen hervor. Über die Moodle-Plattform des „Lernraums Berlin“ stellten manche Schulen täglich neue Lernvideos ein. In einigen Fällen konnten Schülerinnen und Schüler, die zuhause keinen Computer zur Verfügung haben, sogar unkompliziert Schulgeräte ausleihen. Die Familien erhielten teilweise technischen Support, etwa bei der Einrichtung des WLans. Auf der anderen Seite unterstützten auch viele Eltern die Lehrkräfte, etwa beim Aufsetzen von Internetseiten, Videokonferenzen und Cloudlösungen. Trotz sozialer Distanz seien alle Beteiligten näher zusammengerückt.
Heise bemängelte allerdings auch die vielen Unklarheiten im Zusammenhang mit Home Schooling. Weder für Lehrkräfte, noch für Eltern gäbe es etwa Richtwerte, wie viele Stunden Schülerinnen und Schüler täglich zu Hause arbeiten sollten. Die meisten Eltern seien nun einmal keine Pädagoginnen oder Pädagogen, viele könnten ihre Kinder nicht so gut unterstützen. In diesem Zusammenhang wies er auf des SIBUZ Elternbrief der Berliner Senatsverwaltung hin. Ein weiterer Aspekt, den Heise ansprach, betrifft die Kinder und Jugendlichen in Notbetreuung: Dort finde kein Unterricht statt, wodurch schwache Schülerinnen und Schüler weiter abgehängt würden.
Neue Wege wagen, Druck rausnehmen, auf die Bedürfnisse der Kinder achten
Unter den Teilnehmenden wurde der Eindruck geschildert, dass manche Lehrkräfte „sich hinter dem Datenschutz verstecken“ würden und dadurch etwa Videokonferenzen gar nicht erst stattfinden würden. Auch sei die Notwendigkeit, hier neue Wege zu gehen, offenbar bei manchen Kolleginnen und Kollegen noch nicht angekommen.
Bei Eltern vernehmen einige der Teilnehmenden auch eine gewisse Unsicherheit, ob es sich überhaupt lohne, jetzt dranzubleiben, oder ob die Schulen für ihre Kinder womöglich so lange geschlossen bleiben müssen, dass im nächsten Schuljahr der Stoff ohnehin wiederholt werden müsse. Denn in Familien sorge der Fernunterricht auch für Konfliktpotential, Streits zwischen Eltern und Kindern über die Erledigung von Schulaufgaben eskalierten auch mal.
Eine Lehrkraft berichtete von ihrem Eindruck, dass gerade pubertierende Jugendliche die Zeit der Schulschließungen oft als „Corona-Ferien“ ansehen – morgens ausschlafen und sich nachmittags mit ihren Freunden treffen wollen. Zwei andere Teilnehmende gaben daraufhin an, dass sie deshalb Videokonferenzen mit ihren Schülerinnen und Schülern bereits in die Abendstunden verlegt haben. Generell müssten auch Kinder und Jugendliche in dieser neuen Situation erst einmal zu ihrem Tagesrhythmus finden.
An Eltern appellierten daher mehrere Teilnehmende, nicht zu viel Druck auf die Kinder auszuüben, ihre eigenen Erwartungen an deren Lernfortschritt herunterzuschrauben und auf die Bedürfnisse der Kinder zu achten. Denn Bildungsarbeit, so viel stehe fest, sei kaum möglich, wenn Eltern nicht richtig unterstützen. Das klappe bei manchen gut, bei manchen eben nur mit ganz viel Druck und bei manchen gar nicht, weil die Eltern zum Beispiel mit Arbeit zu beschäftigt oder schlicht überfordert seien.
Kompetenzen für das 21. Jahrhundert, Digitalisierung und Reflexion
Gerade zeige sich mit Blick auf die Schülerinnen und Schüler, so eine Teilnehmerin, wie wichtig es sei, jetzt und in Zukunft in der Schule auch „21st-century-skills“ zu vermitteln. Selbstbestimmtes Arbeiten, die eigenen Kompetenzen erkennen und einbringen können, Selbstvertrauen – dies seien Eigenschaften, die Kindern und Jugendlichen gerade am meisten helfen. Beim Digitalisierungsprozess an Schulen künftig nicht nachzulassen, ist ein weiterer Wunsch einer Teilnehmerin an das Bildungssystem. Jetzt sei der Zeitpunkt für Pädagoginnen und Pädagogen, sich in die öffentliche, auch politische Debatte einzubringen und sich Gehör zu verschaffen.
Auch eine gemeinsame Reflexion mit Schülerinnen und Schülern sei wichtig: Wie haben sie in der Zeit ihre Lehrkräfte erlebt? Ihre Eltern? Welche Ängste haben sie womöglich? Vor allem solle der Fokus, wenn es darum gehen wird, die entstandenen und verstärkten Ungleichheiten unter den Schülerinnen und Schülern wieder aufzufangen, nicht rein auf deren akademische Leistungen gelegt werden. Schon jetzt befürchten nämlich Einige, dass dann für Dinge wie Reflexion keine Zeit sein wird, weil es nur darum gehen würde, die „verlorene Zeit“ für die Vermittlung von Lernstoff wieder aufzuholen.
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