Etwas abgehackt sehen die Bewegungen des Kindes aus, das sich quer durchs Klassenzimmer auf ein am Boden stehendes Glas Wasser zuzubewegen scheint. So, als müsse es vor jedem Schritt, jeder Bewegung genau überlegen, was nun als nächstes zu tun ist. Dabei scheint es sich an einer Aufreihung von Symbolen zu orientieren, die auf einem Zettel stehen, den es in der Hand hält. Ein weiteres Kind folgt ihm mit einigem Sicherheitsabstand, beäugt jede Regung des ersten Kindes ganz genau. Bisweilen verzieht es das Gesicht, muss sich bemühen, nichts zu sagen, nicht einzuschreiten. Denn das wäre gegen die Regeln. Am Ende stoppt das erste Kind etwa anderthalb Meter vor dem Wasserglas, beugt sich nach unten und greift ins Leere. Allgemeines Gelächter, die Anspannung auf den Gesichtern der Kinder fällt ab. Das erste Kind reicht dem zweiten Kind den Zettel, woraufhin dieses sich sofort mit einem Stift daran macht, die Reihung der Symbole darauf neu zu arrangieren. Das erste Kind, der menschliche Roboter, war falsch programmiert. Im Code fehlten die zwei Schritte, die es gebraucht hätte, um zum Wasserglas zu gelangen und es aufzuheben. Ziel verfehlt, nächster Versuch.
Computer Science Unplugged
Diese Variante von Blinde Kuh oder Topfschlagen, die Nele Hirsch in ihrem Blog ebildungslabor.de beschreibt, ist ein Beispiel für analoges Programmieren oder „Computer Science Unplugged“ - ein Lernkonzept aus dem englischsprachigen Raum. Das ist nur scheinbar ein Widerspruch. Wie die meisten Erwachsenen kennen auch die meisten Kinder digitale Medien nur aus der Anwenderperspektive. Dass sich hinter den Services, die Apps uns bieten, den Ergebnissen, die Suchmaschinen ausspucken oder eben den Bewegungen von Robotern Programmiersprachen verbergen, ist den Wenigsten im Alltag bewusst. Lernspiele wie der menschliche Roboter sind ein niedrigschwelliges Mittel, um den Code, der hinter digital ausgeführten Anwendungen steckt, zu visualisieren und ein Grundverständnis für Informatik zu schaffen – und machen ganz nebenbei auch noch Spaß.
Keine digitale Ausstattung nötig
Vorteile bietet „Computer Science Unplugged“ viele. Einer steckt schon im „Analogen“: Noch immer ist die fehlende Ausstattung für digitales Lernen an vielen Schulen ein Thema. Für Methoden wie mit den Fingern binär zählen oder die Sortiermaschine braucht es minimal nur die Hände der Schülerinnen und Schüler und maximal analoge Materialien, die in jeder Schule ohnehin vorhanden sind: Papier, Stifte, Schere, Drucker. Wenn man nach einer analogen Einführung in die Informatik dennoch digitale Tools zum Einsatz bringen will, gibt es Schnittstellen: etwa das mit Hilfe von Scratch gespeicherte Fensterbild aus Haftnotizen, das in der Broschüre Informatik ohne Strom der Pädagogischen Hochschule Schwyz beschrieben ist.
Spielerisch Code verstehen
Ein weiterer Vorteil ist das spielerische Element. Zaubertricks mit Binärzahlen oder die „Geheimschrift“ des Computers zu erraten (beide Methoden sind ebenfalls in der Broschüre der PH Schwyz beschrieben), wecken den Ehrgeiz von Kindern. Im besten Fall nehmen solche Spiele Kindern die Scheu vor dem Informatikunterricht und wecken die Lust auf mehr. Sie erkennen, dass in ihrem Smartphone oder Laptop keine „Magie“ steckt, sondern logische, mathematische Vorgänge, die sie mit etwas Geduld und Übung selbst beherrschen können. Selbstredend, dass sich viele dieser Spiele auch für ganz junge Kinder schon eignen.
Bisweilen lohnt es sich, praktische Lernspiele in theoretische Einheiten einzubetten. Denn Lerngelegenheiten bieten sich viele. Wer hat eigentlich damit angefangen, mit Codes zu arbeiten? Was ist ein Algorithmus? Was genau passiert, wenn ein Computer sich „aufhängt“? Und wie unterscheidet sich die Kommunikation von Maschinen von menschlicher Kommunikation?
In der Box finden Sie Links zu weiteren Methoden und Materialien. Viel Spaß beim Ausprobieren!