Frau Piller, wie hat sich die Corona-Situation auf Ihre Arbeit mit den Auszubildenden bei Provadis ausgewirkt?
Ähnlich den Schulen mussten auch wir am 16.03.2020 unseren Präsenzunterricht beenden. Glücklicherweise hatte unsere IT-Abteilung schon in der vorherigen Woche sicherheitshalber allen Mitarbeitern MS Teams aufgespielt und die Teamleiter als Multiplikatoren zur grundlegenden Nutzung geschult.
Somit war, zumindest in unserem Bereich der Ausbildung, jeder in der Lage ab dem 17.03. die Auszubildenden zum Unterricht per Teams einzuladen.
Über die nächsten Wochen wurden dann Schulungen für die Mitarbeitenden in den wichtigsten neuen Tools wie Vitero, Teams und Sharepoint angeboten.
Schnell mussten wir feststellen, dass unser Unterricht zu großen Teilen darauf ausgelegt war, zwar das zu den Versuchen notwendige Wissen über Tafelbilder und Power-Point-Präsentationen zu schulen, jedoch ein Schwerpunkt auf den praktischen Simulationen und Unterweisungen lag.
Die Ausbildenden waren also gefordert, ihre Unterrichtsmaterialien möglichst schnell so umzugestalten, dass alle praktischen Inhalte durch Abbildungen, Videos und Bildanleitungen auch für jeden Auszubildenden zu Hause am Schreibtisch verständlich wurden.
Das war zwar durchaus eine hohe Mehrbelastung, aber dennoch können wir diese aus der „Not“ heraus entstandenen Materialien wunderbar auch in Zukunft zur Unterstützung in unseren Kursen verwenden.
Wie lief der Austausch mit der Berufsschule?
Auch der Kontakt zur Berufsschule bestand im Lockdown weiter. Wir haben von Anfang an versucht, uns mit der Berufsschule abzustimmen. Beispielsweise welche Unterrichtstools (Online-Plattformen, Videokonferenztools, digitale Literatur) die Berufsschule verwendet, ob man diverse Software gemeinsam nutzen könnte, um den Auszubildenden eine einfachere, klarere Struktur vorzugeben und nicht zu fordern, für Berufsschule, Betrieb und Provadis unterschiedliche Programme bedienen zu müssen.
Hier gab es leider Probleme, die sich so leicht nicht beheben lassen, wie dem Datenschutz gerecht zu werden oder dass für gewisse Programme nur Lizenzen für Schulen nutzbar sind, nicht aber für Unternehmen.
Zudem wurde durch Absprachen mit der Berufsschule sichergestellt, ob alle Auszubildenden zu Hause über ausreichende Infrastruktur verfügen, um am Onlineunterricht von Berufsschule und Provadis teilnehmen zu können oder ob entsprechende Maßnahmen wie Ausleihe von Hardware vom Betrieb oder Provadis benötigt werden.
Die Azubis berichteten ebenfalls, dass sie sich mit der Online-Beschulung der Berufsschule gut aufgehoben fühlen.
Wie haben Sie die Prüfungen organisiert?
Zunächst standen bei uns die theoretischen und praktischen Prüfungstrainings für die Abschlussprüfungen Teil 1 und Teil 2 an. Während die theoretischen Prüfungstrainings sich noch recht ähnlich zur Präsenz gestalten ließen, war bei den praktischen Prüfungstrainings wieder Einfallsreichtum gefragt, den Auszubildenden das Training im Labor so nachhaltig wie möglich zu ersetzen. Auch hierbei kamen Erklärvideos und Schritt-für-Schritt-Anleitungen zu Stande, die zum Teil mit den Auszubildenden gemeinsam im Onlineunterricht entwickelt wurden und später zur selbstständigen Wiederholung über unsere Coach-Plattform zur Verfügung standen. Dabei konnten die Auszubildenen die benötigten Materialien, die einzelnen Arbeitsschritte zu den gängigen Labormethoden aber auch die verschiedenen Fehlermöglichkeiten in kleinen Gruppen erörtern und ihr Wissen verbessern und festigen.
Dadurch dass die Abschlussprüfungen nach hinten verlegt wurden, war es dann doch noch möglich, die Auszubildenden vor dem Prüfungstermin zu einem praktischen Prüfungstraining ins Haus zu holen. Hierfür wurden von den Ausbildenden vorher Zeitpläne erstellt, von wann bis wann welcher Auszubildende für welche Versuche zu uns kommen konnte, da unsere Laborkapazitäten deutlich reduziert werden mussten, um dem Abstandsgebot Folge zu leisten.
Auch bei der Prüfung selbst wurden die Prüflingsgruppen deshalb kleiner gestaltet. Die Prüfung fand dann regulär statt, jedoch mit weniger Azubis pro Prüfungstag, dafür mit mehr Prüfungstagen.
Konnten Sie aus diesen Erfahrungen Ableitungen für den Start ins neue Ausbildungsjahr ziehen?
Obwohl unsere Auszubildenen schon ein gutes Niveau an Medienkompetenz besitzen, haben wir für das neue Ausbildungsjahr mitgenommen, die Auszubildenden früher und noch stärker an verschiedene Medien heranzuführen, um in einem Fall wie der Corona-Schließung darauf zurückgreifen zu können. Sei es das Erstellen von digitalen Protokollen beispielsweise per Firmenlaptop oder Schulungstablet oder auch das testweise Erlernen unserer virtuellen Schulungsprogramme Vitero und MS Teams. Ebenfalls haben die einzelnen Betriebe reagiert und statten zukünftig ihre Azubis mit Laptops aus, die sie während der gesamten Ausbildung behalten dürfen.
Sind Sie mit Ihrem Tandem schon in die Netzwerkarbeit im Rahmen von #HESSENbildung.digital gestartet?
Nach dem Startschuss (https://www.bildung.digital/artikel/digitaler-startschuss-des-hessen-netzwerks) wurde den Tandems durch die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung jeweils ein eigener Kanal bei Teams zur Verfügung gestellt. Im verknüpften Notizbuch haben wir angefangen Ideen zu sammeln, die den Tandemmitgliedern im laufenden Betrieb in den Sinn kamen, die unsere eigene Arbeit aber eben auch die Zusammenarbeit mit unserem Bildungspartner erleichtern würden.
Zudem fanden bisher einige informelle Treffen statt, bei denen wir uns über die Inhalte des Notizbuches ausgetauscht und schon manche spontane Idee entwickelt haben.
Allerdings wurde uns dabei auch bewusst, dass die Auswahl der möglichen Tandemprojekte stark dadurch eingeschränkt wird, dass alle Beteiligten neben ihrer Haupttätigkeit nur über begrenzte zeitliche Kapazitäten verfügen, die die Umsetzung eines besonders großen Projektes erschwert.
Ein Treffen zur weiteren Entwicklung des Projektes, mit dem beide Tandempartner gerne weiter planen würden steht noch aus, ist aber in Arbeit.
Was versprechen Sie sich von Ihrer Teilnahme an #HESSENbildung.digital?
Ein wichtiges Ziel für unser Tandem ist es, die Selbstlernkompetenzen und das selbstorganisierte Lernen, das nicht nur für Ausbildungszeit, sondern auch für den beruflichen Alltag der Auszubildenden von großer Bedeutung ist, zu fördern.
Zudem wollen wir den Auszubildenden deutlich machen, dass Provadis (Betrieb) und die Berufsschule, beide als wichtige Lernprozessbegleiter, zwar unabhängige Institutionen sind, jedoch in engem Kontakt stehen und eine gute, eingespielte, inhaltlich abgestimmte Zusammenarbeit pflegen.
Durch den Blockunterricht der Berufsschule (2-3 Wochenblöcke) könnte eine größere Transparenz bezüglich der gelehrten Theorie (Berufsschule) und Fertigkeiten (Betrieb) einen handlungsorientierteren Unterricht fördern. Als ersten Schritt wollen wir uns über digitale Basisliteratur abstimmen, die wir sowohl in der Berufsschule als auch in den Betrieben heranziehen möchten.
Vielen Dank für die spannenden Einblicke – und viel Erfolg für die Teilnahme am Netzwerk!