Zum Einstieg in dieses Schulcafé berichteten Gunnar Storm und Louis Krüger von der Servicestelle Jugendbeteiligung von ihrem Projekt Schüler*innenhaushalt und von ihren bisherigen Lessons und Eindrücken aus der Coronazeit.
Auch Schülerinnen und Schüler müssen digitale Beteiligungswege erst einüben
Junge Menschen, die jetzt zur Schule gehen, gelten Manchen als “digital natives”. Als die Servicestelle Jugendbeteiligung zu Beginn der Schulschließungen auf digitale Beteiligungswege ausweichen musste, stellte sich aber schnell heraus, dass auch Schülerinnen und Schüler nicht geübt sind im digitalen Zusammenarbeiten und der Nutzung entsprechender Tools. Als praktische Tipps empfahlen Gunnar Storm und Louis Krüger den Teilnehmenden, wenn möglich auf Tools zurückzugreifen, die in der entsprechenden Schule ohnehin genutzt werden, und bei der Auswahl zu berücksichtigen, ob die Tools mit dem Handy nutzbar sind. Denn ein nicht unerheblicher Teil der Schülerinnen und Schüler kann daheim keinen Computer nutzen.
Beteiligung braucht Räume
Nach Erfahrung der Beiden komme man mit seinem Team aus Schülerinnen und Schülern nach einem kurzen Orientierungsmoment nicht umhin, individuelle Lösungen zu finden. Eine neue Aufgabenverteilung und der höhere Organisationsaufwand für die Projektteams führe dann häufig sogar zu einem größeren Engagement der Schülerinnen und Schüler, da (Infra-)Strukturen, die sonst die Schule zum Beispiel für Projekttreffen zur Verfügung stelle, nun teilweise wegfielen. Voraussetzung sei aber, dass weiterhin Räume - nun eben digitale – zum eigenständigen Arbeiten geschaffen und bereitgestellt werden.
Tools machen noch keinen Beteiligungsansatz
Beim Projekt Schüler*innenhaushalt, bei dem Schülerinnen und Schüler echtes Geld verwalten und demokratisch Entscheidungen treffen, um den Lebensraum Schule für alle angenehmer zu gestalten, ist Gunnar Storm und Louis Krüger “echte” Beteiligung wichtig. Das bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler an Entscheidungen beteiligt sein sollen, die auch wirklich umgesetzt werden. Und dass nicht im Vorfeld ein Mitentscheidungrecht suggeriert werde, das dann nicht eingehalten werde. Diese zentrale Haltung stecke hinter guten Partizipationsprozessen. Und so zeige sich auch jetzt bei digitalen Prozessen, dass ein Tool allein noch kein Beteiligungsansatz sei.
Corona macht ungleiche Teilhabechancen sichtbar
Louis Krüger hat festgestellt, dass bei Schülerinnen und Schülern in den letzten Wochen ein neues Bewusstsein dafür entstanden sei, dass es nicht für Alle gleich einfach ist, sich einzubringen: “Das Digitale macht für Schülerinnen und Schüler sichtbar, wer mitmachen kann und wer nicht.” In den Projektteams unterstützten sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig und sorgten mit Hilfe ihrer erwachsenen Begleitpersonen bei der Servicestelle Jugendbeteiligung und in der Schule für eine gute Beteiligungskultur, berichtet er. Aber auch das habe seine Grenzen. Hätten sie mit ihren Maßnahmen einen erheblichen Teil der Schülerschaft nicht erreicht, sagt er, so hätten sie das Projekt ruhen lassen. Denn dann wäre eine echte, auch repräsentative Beteiligung nicht mehr möglich gewesen.
Schülerinnen und Schüler wünschen sich mehr Mitsprache bei Corona-Regeln
Eine Teilnehmerin äußerte nach dem Input der Beiden den Eindruck, dass Schülerinnen und Schüler derzeit wenig Gelegenheit hätten, zu den aktuellen Corona-Regeln an Schulen Rückmeldung zu geben oder sich mit eigenen Ideen einzubringen. Gunnar Storm bestätigte diesen Eindruck, räumte aber ein, dass dies wohl auch dem Zeitdruck geschuldet sei. Die Schulen müssten Regeln jetzt sehr schnell einführen, und im Zweifel plädiere er eher dafür, offen zu kommunizieren, dass es deshalb dazu kein Mitspracherecht geben kann, statt eine “Scheinbeteiligung” zu suggerieren. Louis Krüger merkte an, dass die aktuelle Situation die Gelegenheit für eine “Sternstunde der Schülerinnenvertretung” sei – diese müsse eine Beteiligung jetzt einfordern.
Eine andere Teilnehmerin entgegnete, dass es ihrem Eindruck nach stark davon abhänge, wie gut Schülerinnen und Schüler von klein auf von ihrer Klassenlehrkraft in dieser Hinsicht gefördert worden seien, ob sie sich nun einbrächten und Mitspracherecht einforderten. Ein anderer Teilnehmer berichtete, dass Schülerinnen und Schüler sich in diesem Punkt derzeit ihren Lehrkräften “ausgeliefert” fühlten und dies als ungerecht empfänden. An seiner Schule hätten sie deshalb nun durchgesetzt, dass es eine Umfrage unter allen Schülerinnen und Schülern gibt. Außerdem wünschten sich viele Schülerinnen und Schüler, dass ihnen von Seiten der Schule Strukturen zur Verfügung gestellt würden, die sie nutzen könnten, um sich zu organisieren und gegenseitig zu unterstützen. Solche Strukturen selbst zu schaffen, überfordere viele von ihnen.
Übrigens: Pünktlich zum siebten Schulcafé digital, das sich dem Thema Partizipation von Schülerinnen und Schülern in der Coronazeit widmete, erschien der Kinderreport Deutschland des Deutschen Kinderhilfswerks. Dieser Report untersucht jährlich, wie es um die Rechte von Kindern und Jugendlichen in Deutschland bestellt ist. Die Beteiligung an Entscheidungen, die sich auf sie auswirken, ist ein Recht, das in der UN-Kinderrechtskonvention festgehalten ist. Die Konvention besagt auch, dass Kinder und Jugendliche mitunter Unterstützung benötigen, um ihre Rechte wahrnehmen zu können.
Weitere Zusammenfassungen der Themen des Schulcafé digital finden Sie hier. Sollten Sie weitere Fragen zum Format haben, können Sie uns unter bildungdigtal@dkjs.de erreichen.