Seit 20 Jahren untersucht der Medienpädagogische Forschungsverband Südwest (mpfs) im Rahmen der jährlich durchgeführten JIM-Studie den medialen Alltag von Jugendlichen in Deutschland. Darin wird jedes Jahr eine Stichprobe von 1200 Jugendlichen von Zwölf bis 19 Jahren in ganz Deutschland telefonisch zu ihrem Medienumgang befragt. Als umfangreiche Basisuntersuchung ermöglicht sie einen repräsentativen Überblick über die digitale Entwicklung und das Medienverhalten der Zwölf- bis 19-Jährigen und bietet so Fachkräften aus Bildung, Forschung und Politik eine Grundlage für medienpädagogische Aktivitäten. Zusätzliche Themen der aktuellen Studie vom November 2018 sind das Vertrauen in Nachrichtenangebote, Details der Smartphonenutzung, Hassbotschaften im Internet sowie, anlässlich von 20 Jahren JIM-Studie, zentrale Entwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte Digitalisierung.
Digitale Medien prägen die Lebenswirklichkeit aller Jugendlichen
Wie die Ergebnisse der aktuellen Studie 2018 zeigen, stehen Jugendlichen in Deutschland heute in (nahezu) allen Familien digitale Medien zur Verfügung: Dies sind allen voran Smartphones mit 99 % aller Haushalte sowie Laptops oder Computer mit 98 %, während Tablets mit 67% aller Haushalte zwar auch mehrheitlich, aber doch deutlich seltener verfügbar sind (vgl. zur Medienausstattung S. 6–7 der Studie). Klassische Medien haben deshalb aber noch lange nicht ausgedient, Fernsehgeräte beispielsweise stehen noch immer in 95 % und Radios in 85 % aller Haushalte, Tageszeitungen beziehen hingegen nur 48 %. Schaut man sich an, welche Geräte sich tatsächlich im eigenen Besitz der Jugendlichen befinden, zeigt sich eine klare Dominanz von Smartphones, 97 % der Jugendlichen besitzen eines (vgl. S. 8). Laptops oder Computer sowie Tablets befinden sich dagegen öfter noch im Familienbesitz, da in Relation zur hohen allgemeinen Verfügbarkeit (98 %) nur 71 % der Jugendlichen einen eigenen Laptop oder Computer haben, bei Tablets sind es sogar nur 26 %. Aufschlussreich ist dabei auch die Differenzierung nach Geschlecht. Denn während der Besitz von Smartphones und Tablets ausgeglichen ist, haben Jungen mit 45 % deutlich häufiger einen eigenen Computer als Mädchen mit 16 % (vgl. S. 9). Mädchen hingegen haben mit 57 % etwas häufiger einen eigenen Laptop als Jungen mit 51 %. Betrachtet man Computer und Laptops zusammen, liegen Jungen mit 77 % noch immer merklich vor Mädchen mit 65 %. Bemerkenswert ist zudem der Vergleich der Altersstufen. Auch hier ist der Besitz von Smartphones nahezu ausgeglichen, schon 95% der 12–13-Jährigen haben eines, bei den 18–19-Jährigen sind es sogar 99 % (vgl. S. 10). Wesentlich deutlicher ist der kontinuierliche Zuwachs des Gerätebesitzes mit dem Alter dagegen bei Laptops (37 % der 12–13-Jährigen im Gegensatz zu 70 % der 18–19-Jährigen), Computern (21 % der 12–13-Jährigen, 37 % der 18–19-Jährigen) oder auch Fernsehgeräten (39 % der 12–13-Jährigen, 61 % der 18–19-Jährigen).
Unabhängig von Alter oder Geschlecht zeigt sich somit, dass der Besitz von Smartphones für heutige Jugendliche Standard ist (vgl. S. 8–9). Aber auch Computer und Laptops stehen, teils im eigenen, teils im Familienbesitz, nahezu allen Jugendlichen zur Verfügung. Der Umgang mit digitalen Medien betrifft somit inzwischen nicht mehr nur eine Teilgruppe, sondern alle in Deutschland lebenden jungen Menschen.
Das Internet steht an erster Stelle – und wird vielfältig genutzt
Die besondere Rolle des Smartphones wird auch durch einen Blick auf die Medienbeschäftigung der Jugendlichen in ihrer Freizeit offenbart: 97 % der Jugendlichen in Deutschland nutzen Smartphones mindestens mehrmals pro Woche, 94 % sogar täglich (vgl. S. 13). Dies liegt gleichauf mit der Nutzung des Internets, zu dem heute in 98 % der Haushalte Zugang besteht (vgl. S. 6) und das (unabhängig von Gerät und Zweck) ebenfalls von 97 % der Jugendlichen mindestens mehrmals pro Woche und von 91 % täglich genutzt wird. Bei der Verwendung ihrer digitalen Geräte steht das Internet für junge Menschen, unabhängig vom Geschlecht, heute somit an erster Stelle (vgl. S. 14). Korrespondierend mit dem nahezu uneingeschränkten Zugriff auf das Internet ist die tägliche Nutzungsdauer der Jugendlichen im Laufe der Zeit rapide gestiegen und hat sich in den letzten zehn Jahren auf inzwischen 214 Minuten täglicher Internetnutzung mehr als verdoppelt (vgl. S. 31). Wenig überraschend ist das Smartphone das aktuell am häufigsten eingesetzte Gerät zur Internetnutzung: 92 % der Jugendlichen gehen mindestens mehrmals pro Woche mit dem Smartphone online, mit großem Abstand gefolgt von Laptops mit 30 %, Computern mit 24 % und Tablets mit 14 % (vgl. S. 28). Und obwohl Laptops oder Computer in fast allen Haushalten zur Verfügung stehen, benutzt mit 58 % bei Laptops und 69 % bei Computern die Mehrheit der Jugendlichen diese Geräte mittlerweile niemals, um online zu gehen.
Die konkrete Nutzung des Internets durch Jugendliche ist nach den Ergebnissen der Studie sehr heterogen, wie die folgenden Ergebnisse zeigen. Die Nutzung dient heute mit insgesamt 35 % der Onlinenutzung an erster Stelle der Kommunikation über verschiedenste Kommunikationskanäle, insbesondere WhatsApp, Instagram, Snapchat und Facebook (vgl. S. 33 und 38). Die Nutzung des Internets zur Unterhaltung – z. B. durch Musik, Videos oder Bilder – steht mit 31 % der Onlinezeit an zweiter Stelle, gefolgt von Spielen mit 24 %. Informationsbeschaffung schließlich macht mit 10 % den geringsten zeitlichen Anteil jugendlicher Internetnutzung aus. Bemerkenswert ist dabei auch, dass Mädchen mit 41 % einen deutlich größeren Teil ihrer Internetnutzung auf Kommunikation verwenden als Jungen mit 30 % (vgl. S. 33). Auch zu Unterhaltungszwecken nutzen sie das Internet mit 37 % stärker als Jungen mit 27 %. Jungen hingegen widmen Online-Spielen mit 33 % den größten Teil ihrer Internetnutzung, was bei Mädchen mit nur 10 % an letzter Stelle steht. Das mit Abstand beliebteste konkrete Online-Angebot stellt derzeit YouTube dar: 63 % der Jugendlichen nennen dies als einen ihrer drei Favoriten, gefolgt von WhatsApp mit 39 % und Instagram mit 30 % (vgl. S. 34–35).
Insgesamt lässt sich daraus unter anderem schließen: Junge Menschen genießen in ihrem Lebensalltag inzwischen großen Freiraum für selbstständige, unkontrollierte Internetnutzung, insbesondere mittels des Smartphones.
Informationsbeschaffung und Medienvertrauen
Im Bildungszusammenhang besonders relevant ist das Informationsverhalten junger Menschen im digitalen Zeitalter. Wie genau nutzen Jugendliche in Deutschland beispielsweise die 10 % ihrer Online-Zeit, die sie aktuell zur Informationsbeschaffung verwenden? Die aktuellen Studienergebnisse zeigen, dass Suchmaschinen, vor allem Google, für sie dabei mit Abstand an erster Stelle stehen: 87 % der Jugendlichen dient diese Möglichkeit mindestens mehrmals pro Woche als Informationsquelle (vgl. S. 52). An zweiter Stelle stehen YouTube-Videos, um sich über ein Thema zu informieren, 60 % der Jugendlichen tun dies mindestens mehrmals pro Woche. So rezipieren Jugendliche laut JIM-Studie bei YouTube – neben den hauptsächlich genutzten Unterhaltungsformaten – mitunter auch mehrmals pro Woche Erklärvideos für Themen aus der Schule (20 % der Jugendlichen), Tutorials (19 %) oder auch Videos von YouTubern über aktuelle Nachrichten (23 % der Jugendlichen) (vgl. S.49 und 50). An dritter Stelle werden Online-Enzyklopädien wie Wikipedia von 33 % der Jugendlichen mindestens mehrfach wöchentlich zur Recherche verwendet (vgl. S. 52). Nachrichtenportale von Zeitungen werden mit 22 % deutlich seltener genutzt, Nachrichtenportale von Fernsehsendern sind mit nur 1 % fast gar nicht relevant.
Stellt man die Frage, welchen Nachrichtenangeboten junge Menschen in Deutschland am meisten vertrauen, ergibt sich vor diesem Hintergrund ein bemerkenswertes Bild. Denn trotz der hohen Online-Affinität belegen ausschließlich klassische Medien die vorderen Plätze der als vertrauensvoll eingestuften Nachrichtenangebote: 84 % der Jugendlichen nennen Tagesschau bzw. Tagesthemen der ARD, 77 % regionale Print-Tageszeitungen, 74 % öffentlich-rechtliche Radiosender, 71 % Heute bzw. Heute-Journal vom ZDF und 57 % Print-Nachrichtenmagazine (vgl. S. 17). Online-Angebote landen hingegen auf den hinteren Plätzen, wobei FOCUS Online mit 51 % am besten abschneidet.
Insgesamt, so lassen sich diese Ergebnisse deuten, gibt es von Seiten der Jugendlichen also durchaus Interesse an Bildungsinhalten im Internet. Zugleich bestehen jedoch Unsicherheiten über deren Glaubwürdigkeit.
Cybermobbing als wachsendes Problem
Dass die Durchdringung der jugendlichen Lebenswelt durch digitale Medien und deren vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten auch Gefahren birgt, zeigt sich insbesondere anhand des Phänomens des Cybermobbings. Über knapp ein Fünftel der Jugendlichen wurden schon mal falsche oder beleidigende Inhalte im Internet verbreitet, bei 11 % umfasste dies auch peinliches oder beleidigendes Bildmaterial in Form von Fotos oder Videos (vgl. S. 62). 34 % der Jugendlichen haben bereits Fälle eindeutigen Cybermobbings im Bekanntenkreis mitbekommen, 8 % erlebten dies sogar schon selbst (vgl. S. 63). Darüber hinaus sind 65 % bereits Hassbotschaften im Internet begegnet, 21 % sogar häufig. Ein Großteil der jungen Menschen ignoriert derartige Botschaften jedoch bislang (vgl. S. 64). Ein aktives bzw. pragmatisches Vorgehen gegen solche Inhalte zeigt sich entsprechend der Studienergebnisse bislang somit nur bei einer Minderheit. Daraus lässt sich schließen, dass auch für die Prävention von und den Umgang mit beleidigendem und mobbendem Verhalten im Internet digitale Kompetenzen notwendig sind.