Cybermobbing dringe im Home Schooling noch stärker ins Private ein, gab Heike Kühl-Frese vom Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) bei ihrem Grußwort zur Konferenz am 13. Februar 2021 zu bedenken. Auch, weil die täglichen Videokonferenzen nun oft der einzige Kontakt für Schülerinnen und Schüler mit der Klassengemeinschaft sind. Mobbing ist ein gruppendynamischer Prozess und das Klassenklima beeinflusst laut Schultze-Krumbholz das individuelle Verhalten. Gibt es, wie möglicherweise jetzt im Distanzunterricht, weniger positive Interaktionen innerhalb dieser Gemeinschaft, so sinkt bei potenziellen Opfern die Resilienz. Bei Bystanders wiederum sinkt die Bereitschaft, Opfern beizustehen, und steigt die Bereitschaft, Täter:innen zu unterstützen.
Auf fehlende Resilienz ging auch Kühl-Frese in ihrem Grußwort ein. Ohnehin seien viele Kinder und Jugendlichen gerade stark psychisch belastet. Laut der der zweiten Befragung der sogenannten Copsy-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zeigt ein knappes Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland fast jedes dritte Kind psychische Auffälligkeiten. Dies hat nicht nur das Potenzial, dass sich Cybermobbing-Vorfälle auf Opfer stärker auswirken. Laut Schultze-Krumbholz gibt es beim Cybermobbing eine große Überschneidung zwischen Täter:innen und Opfern, also Schüler:innen, die sowohl Täter:innen, als auch Opfer sind. Und Täter:innen haben als Motiv oft weniger die Demonstration der eigenen Macht nach außen, sondern eher persönliche Gründe wie die eigene Unzufriedenheit und Langeweile. Auch hier könnte die Pandemiesituation negative Effekte haben, also sowohl auf Risiko-, als auch auf Schutzfaktoren.
Unterricht per Videokonferenz ermöglicht indes auch neue Arten des Cybermobbings. In einem Gastbeitrag in der Zeit berichtete die Lehrerin Karin Bomke kürzlich: „So hat in meinem Unterricht ein Schüler, den ich nicht sofort erkennen konnte, einen Mitschüler stummgeschaltet – wiederholt immer denselben.“ Weiter schrieb sie: „Manche Jugendliche schneiden zum Beispiel Videostunden mit und stellen unvorteilhafte Aufnahmen eines Kindes oder einer Lehrerin in den sozialen Netzwerken zur Schau.“ Visuelle Formen des Cybermobbings, also Bilder und Videos, werden von Opfern, so Schultz-Krumbholz, als besonders schlimm empfunden. Denn Bild- und Videoinhalten kann schwer widersprochen werden. Sie scheinen das eigene, vermeintliche Fehlverhalten zu „beweisen“, sie „schaffen Fakten“.
Und schließlich ist es im Unterricht auf Distanz schwieriger für Lehrkräfte, Cybermobbing zu erkennen. „Denn“, so Karin Bomke, „als Lehrerin spüre ich nicht sofort, wenn ich den digitalen Raum betrete, welches Klima in der Klasse herrscht, welche Schülerin oder welcher Schüler sich aggressiv oder ausgrenzend verhält.“ Und auch Cybermobbing gegen Lehrkräfte ist ein Thema – eines, das laut Schultz-Krumbholz bisher unterforscht ist.